Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

Zwischen der oberen Weichsel u. der Reichsgrenze bis zur Wiedereroberung vonPrzemysl 189 
russischen Rekruten nur kurzen Widerstand leisteten, so ging auch diese Ortschaft und 
die gesamte Artillerie verloren, die sich durch die Ortschaft zum San retten wollte. Erst 
im Brückenkopf von Zagrody brachten die russischen Führer durch Einsatz frischer, 
schleunigst herangezogener Reserven den Angriff der Deutschen zum Stehen. An diesem 
Tage konnte eine Siegesbeute von 70 Offizieren, 9000 Gefangenen, 42 Maschinen 
gewehren, 52 Geschützen, darunter 10 schweren, 14 Munitionswagen und zahlreichem 
anderen Kriegsmaterial gemeldet werden. Aber auch auf dem Nordufer des San hatte 
sich eine große Schlacht entwickelt" (vgl. S. 163, 164). 
Ein schwedischer Hauptmann, der als Beobachter an den Kämpfen teilnahm, hat dem 
Kriegsberichterstatter der „Vossischen Zeitung" einige ergänzende Einzelheiten mitgeteilt. 
Er erzählte: „Am Pfingstmontag den 24. Mai 1915 begann um 5 Uhr früh die artille 
ristische Vorbereitung. Die Wirkung war fürchterlich. Bald schien der ganze Umkreis 
in Flammen zu stehen. Die seit langem herrschende Trockenheit begünstigte den riesigen 
Brand. Von Haus zu Haus fraßen sich die Flammen fort. Radymno, Wysocko, Vietlin 
wurden in Schutt und.Asche gelegt. In drei Kolonnen gingen die Sturmreihen vor. 
Westlich der Straße Jaroslau—Radymno deutsche Truppen, beiderseits des San die 
österreichisch-ungarischen. Den Deutschen fiel die Aufgabe zu, Radymno zu stürmen, 
den österreichisch-ungarischen Kräften wurde der Befehl, den starken Brückenkopf bei 
Wysocko nördlich von Radqmno zu nehmen. Ein Teil der Deutschen hatte sich in den 
Besitz von Wietlin (nördlich von Jaroslau, am Szklo) zu setzen. Die Erschütterung 
der feindlichen Stellungen durch die Artillerie war sehr stark, aber die Russen hatten 
sich überall stark befestigt. In Wietlin beispielsweise mußten ganze Barrikaden von 
Stacheldraht zusammengehauen werden. Trotzdem gelang schon der erste Anlaus. In 
die fliehenden Haufen entluden Mörser und schwere Haubitzen Lage auf Lage. In dem 
hastenden Durcheinander versuchten Artilleristen ihre Geschütze zu retten. Vergeblich! 
Während manche in der Eile nicht mehr aus den Stellungen herauszubringen waren, 
wurden andere auf der Flucht zusammengeschossen. 
Der deutsche rechte Flügel kam sehr schnell vorwärts, der linke, der in völlig offenem 
Feld die schwierigeren Hindernisse des Brückenkopfes zu überwinden hatte, mußte sich 
Schritt für Schritt Bahn machen. Zwei österreichisch-ungarische Regimentskomman 
danten, die an der Spitze ihrer Truppen stürmten, fielen; ein dritter wurde schwer ver 
wundet. Das Werk aber gelang: Radymno fiel, der Brückenkopf wurde erstürmt, und 
weiter nördlich in Wietlin setzten die Deutschen sich fest. Nun kannten die Russen kein 
Halten mehr. Nach Osten und Südosten ging die tolle Flucht." 
Auch über die wiederholten Versuche der Russen, die neu gewonnenen Stellungen des 
linken Flügels der Verbündeten aus dem östlichen Sanuser zu durchbrechen, hat das 
deutsche Große Hauptquartier am 3. Juli 1915 als Einleitung zu einer Darstellung der 
am 12. Juni 1915 wieder begonnenen neuen Offensive eine kurze Schilderung veröffent 
licht, die wir hier einstellen, während der Hauptteil des Berichtes erst später im Zusammen 
hang mit der Darstellung des Vormarsches auf Lemberg folgen wird. Der Bericht lautet: 
„Die Armee Mackensen hatte sich bis zum 27. Mai 1915 abends aus dem östlichen San- 
ufer einen großen Brückenkopf geschaffen, der sich in einer Ausdehnung von etwa siebzig 
Kilometer von Nacklo über Kalnikow—Zapatow—Radawa bis zur Lubaczowkamündung 
erstreckte. Während der auf dem anderen Sanuser verbliebene rechte Armeeflügel sich 
kämpfend näher an die Nordfront der Festung Przemysl heranschob, versuchten die 
Russen die Brückenkopsstellung vom Norden her zu durchbrechen. In der Zeit vom 
27. Mai bis 3. Juni führte der Feind alle nur irgendwie verfügbaren Reserven zu 
nächtlichen Angriffen gegen die deutschen Truppen vor. Obwohl er im Laufe von acht 
Tagen etwa fünfzehn, allerdings teilweise schon stark geschwächte Divisionen in fort-
	        
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