Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

274 Die neutralen Nordstaaten und Amerika bis zur Versenkung der „Lusttania" 
ein Volk von ganz selbständiger Kultur. Dennoch wird, besonders in den Kreisen der 
Wissenschaft, der geistige Einfluß Deutschlands nicht unterschätzt; unter den Gelehrten, 
Aerzten, Technikern Hollands hat Deutschland die besten Freunde. ... Im allgemeinen 
aber wirft der Holländer dem Norddeutschen eine gewisse Schroffheit und Eckigkeit vor und 
fühlt sich viel eher zum Süddeutschen hingezogen. So kommt es, daß selbst Gegner Deutsch 
lands viel für Oesterreich-Ungarn übrig haben und dem jeden freien Niederländer gründlich 
verhaßten Zarismus die kräftigsten Niederlagen gönnen. Besonders die katholischen Ge 
biete im Süden des Landes, die erst stark mit den katholischen Belgiern sympathisierten, 
sind durch die russischen Greuel in Galizien und in der Bukowina, durch die Vergewalti 
gung der dortigen Katholiken, eines Besseren belehrt worden und hegen jetzt die besten 
Wünsche für die Oesterreicher, deren heiter-gemütliche Wesensart dem Niederländer aus 
fällig nahesteht. Natürlich wird so auch die Stimmung gegen Deutschland allmählich 
besser, was durch das Verhalten der belgischen Flüchtlinge, die sich keineswegs sehr 
beliebt machen, wesentlich gefördert wird." 
„Nun darf man aber darum nicht meinen," versichert Oskar T. Schweriner in der 
„Vossischen Zeitung", „daß der Holländer dem Engländer etwa freundlicher gesinnt 
sei, als dem Deutschen. Auch für ihn hat er so gut wie nichts übrig. Wohl hat er 
mehr englische Sitten und Gebräuche angenommen als deutsche. Das holländische Herz 
aber war stets — französisch und ist es geblieben. Wie ein Holländer sich aus 
drückte: „Wir verstehen die Franzosen besser und sie sind uns mehr. Wir haben z. B. 
mehr Verständnis für den Freispruch einer Frau Caillaux als für den Freispruch eines 
Leutnants Förster. Obwohl der Fall Caillaux doch unendlich schlimmer war." Von 
solchem Standpunkt aus wird manches begreiflicher. Das holländische Volk hat die 
deutschen Gefühle für sich nie gewürdigt, schon weil cs sie nicht verstanden hat. Es hat 
im besten Falle nach einem politischen Hintergrund dafür gesucht, dauernd in Furcht um 
seine Selbständigkeit. Wie ein anderer Holländer mir sagte: „Wenn wir unsere 
Unabhängigkeit verlieren sollen, dann schon lieber an Frankreich, denn wir wissen von 
Napoleon her, der Franzose würde wohl unser Land besetzen, uns aber unsere nationale 
Individualität lassen. Deutschland aber würde uns zu Deutschen machen."" 
Daß in Deutschland dagegen niemand ernstlich daran denkt, Hollands Selbständigkeit 
irgendwie anzutasten, ergibt sich u. a. aus einer Unterredung, die der Führer der holländischen 
Sozialdemokraten, Troelstra, mit dem Unterstaatssekretär Zimmermann vom deutschen 
Auswärtigen Amt im Herbst 1914 hatte. Der deutsche Staatsmann erklärte u. a.: „Die 
deutsche Regierung schätzt die Holländer und weiß, daß sie wie meine ostpreußischen 
Landsleute ein selbstbewußtes und eigenwilliges Volk sind. Kein Mensch wird uns für 
fähig halten, Holland Gewalt anzutun und Holland dem Deutschen Reiche einzuverleiben. 
Was auch die eine oder andere Privatperson früher gesagt oder geschrieben haben mag, 
bei der deutschen Regierung besteht in dieser Hinsicht die volle Anerkennung der hollän 
dischen Unabhängigkeit und Unverletzlichkeit. Ich kann Ihnen dies nicht nur für meine 
Person, sondern amtlich versichern." 
Maßnahmen und Kundgebungen der Regierung 
Die handelspolitischen und wirtschaftlichen Maßnahmen sind in dem Kapitel 
„Die Niederlande und der Handelskrieg" auf den Seiten 277 bis 283 zusammengefaßt. 
15. September 1914. 
In der Thronrede, die Königin Wilhelmina zur Eröffnung der Generalstaaten 
verlas, hieß es: „Wir alle sind erfüllt von dem Gedanken an den schrecklichen Krieg, der 
in einem großen Teil der Kulturwelt wütet. Infolgedessen befindet sich unser Land in 
einer Lage, die noch mehr als sonst die ununterbrochene Wachsamkeit fordert. Ich kann
	        
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