Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

184 Die russischen Kriegsschauplätze bis zur Wiedereroberung von Przemysl 
eines Baches vor, der am Nordrand der Stadt in den Wislok mündet. Die Eskadron 
galoppiert der Welle entlang bis zur Bahnlinie. Dort schwenkt sie aus und geht, mit 
ihrem linken Flügel an die Bahn gelehnt, gegen die Eisenbahnstation vor. Eine seind- 
liche Reitergruppe wirft sich ihr entgegen. Umsonst — ehe sie ihren Aufmarsch vollendet, 
ist sie auch schon überritten. Pferde und Reiter stürzen, von der Wucht des Anpralles 
umgeworfen, die andern trifft unser Säbel. Die Mehrzahl kehrt um und sucht ihr Heil 
in der Flucht durch den Ort, die Eskadron hinterdrein, was die Pferde laufen können. 
Wer erreicht wird, fällt, sinkt, vom hochgeschwungenen Pallasch getroffen, mit klaffender 
Wunde aus dem Sattel. Leere Pferde jagen mit, treten in schleifende Zügel, verfangen 
sich, schlagen hin und springen wieder aus. 
Von Südost schallt das Hurra der Radfahrer herüber. Aber auch im Nordost knallt 
es jetzt. Der im Bachtal vorgehende Zug hat ungesehen die Wislokbrücke erreicht, die 
Wache überfallen und niedergemacht; nun feuert er in die fliehenden Reiter hinein. Die 
stieben nach allen Seiten auseinander, jagen den Fluß entlang, suchen Furten, springen 
vom steilen User in die hochaufspritzende Flut hinab. Jede Ordnung ist gelöst. Die 
Radfahrer folgen den Fliehenden dichtauf — Abteilungen von ihnen erreichen gleichzeitig 
mit dem Feinde einen breiten Steg flußabwärts. Einige Schüsse, dann ist auch dieser 
Uebergang genommen!j 
Die Eskadron trabt über die große Brücke hinüber aus die Höhe, die knapp nördlich 
des Flusses ansteigt. Einige gestürzte Reiter werden unterwegs gefangen; sie waren als 
Eskorte für die reichen Vorräte bestimmt, die eben abfahren wollten. Die Fuhrwerke 
standen auf dem Hauptplatz zur Abfahrt bereit; sie entgehen uns nicht. Die Brücke zu 
sichern ist die nächste Pflicht. Eine Halbeskadron jsitzt ab und beginnt sogleich auf der 
Bergnase zu schanzen, von der aus die Straße kilometerweit bestreichbar ist. Ein Zug 
der Radfahrer kommt zu uns herauf, die übrigen und die Maschinengewehre besetzen die 
Höhe rechts der Straße. Einstweilen noch ein lebender Brückenkopf. Ein Motocyklist 
saust mit der Meldung und Situationsskizze zur Haupttruppe zurück. Patrouillen bringen 
Landesbewohner mit Werkzeugen aus den umliegenden Gehöften herbei, sie schanzen mit. 
Frauen schleppen Kannen mit Milch und Eßwaren in Körben heraus und verteilen sie 
an die Mannschaft; sie vergießen Freudentränen über die endliche Befreiung. 
Der Rittmeister übergibt mir das Kommando hier oben und reitet, von einigen Husaren 
begleitet, in die Stadt hinab. Die prangt schon im Flaggenschmuck. Aus den ver 
borgensten Winkeln wurden die Flaggen herbeigeholt. Tücherschwenken, Hurra- und 
Hochrufe empfangen ihn. Die Husaren suchen die Häuser nach verborgenen Russen ab 
und sammeln eine erkleckliche Zahl. Der Rittmeister mit dem Eskadronstrompeter zählt 
die Fuhrwerke auf dem Hauptplatz. Es sind weit über fünfzig, mit Mehl und Frucht 
beladen. Ein Magazin birgt noch fünfmal so viel, berichten die Umstehenden, die den 
Rittmeister umdrängen, nach seinen Händen haschen, um sie zu küssen, sein Pferd lieb» 
kosen, ihm Erfrischungen anbieten und ihm huldigen wie einem König. Er winkt ihnen 
zu und lächelt huldvoll — er hat sich im Kriege fühlen gelernt." 
In Jaslo, dem Sitz des russischen Armeeoberkommandos, Herrschte während des 
Anrückens der Verbündeten Armeen unbeschreibliche Panik. „Der Oberkommandierende 
Fürst Radko Dimitriew war", wie dem „Lokalanzeiger" berichtet wird, „mit seinem Stabe 
bereits am Montag den 3. Mai auf dem Auto nach Rzeszow entflohen, aber alle Vorräte 
und das wertvolle Kriegsmaterial des Armeeoberkommandos, Telegraphen- und Telephon 
apparate, Automobile, Flugzeuge mußten zurückbleiben. Im „Hotel Krakowia", wo 
Dimitriew und seine Offiziere gewohnt hatten, fand man ungezählte persönliche Ge 
brauchsgegenstände, Uniformen und wichtige Schriftstücke, da die Russen kaum Zeit ge 
habt hatten, das nötigste zusammenzuraffen. Im Bahnhof von Jaslo wurden zwei
	        
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