Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

174 Die russischen Kriegsschauplätze bis zur Wiedereroberung von Przemysl 
„Wir wußten gar nicht, wohin wir vor den Geschossen flüchten sollten. Auf 300 Meter 
noch warfen sie uns um, der Luftdruck tötete allein schon, viele von uns wurden irr 
sinnig oder betäubt und warteten weinend auf das Ende dieses furchtbaren Feuers, um 
sich zu ergeben." Ein Kriegsteilnehmer schreibt in einem Feldpostbrief, den die „Nord 
deutsche Allgemeine Zeitung" veröffentlicht hat: „Ich fand diese Angaben bestätigt, als 
ich persönlich die von den Mörsern beschossenen Höhen abging. Die Verwüstung war 
grauenhaft. Zwischen Balken und Stützen eingeklemmt lagen die Leichen. Schützen 
standen noch im Anschlag ohne sichtbare Wunden, anscheinend vom Luftdruck getötet, 
das ganze Werk war nur noch ein Trümmerhaufen." 
Auch der Uebergang über den Dunajec, der von österreichisch-ungarischen 
Pionieren am äußersten linken Flügel der westgalizischen Front durchgeführt wurde, 
mußte sorgfältigst vorbereitet werden. K. v. Reden berichtet darüber in der „Frank 
furter Zeitung": „Als Uebergangspunkt war die Gegend von Otfinow gewählt worden, 
wo in Friedenzeiten eine Fähre über den Fluß führt. Der Dunajec fließt dort zwischen 
hohen Ueberschwemmungsdämmen. Auf dem linken Ufer, wo unsere Truppen standen, 
dehnt sich zwischen Damm und freiem Wasser ein sumpfiges, stark mit Schilf verwachsenes 
Gelände. Der Uebergang war äußerst schwierig, da jeder Mann, der in Sicht der Russen 
kam, sofort beschossen wurde. Die Pioniere begannen daher im Damm ein Loch zu graben, 
eben breit genug, daß ein Ponton durchgebracht werden konnte. Diese Arbeit, die nur 
unter dem Schutz der Dunkelheit vorgenommen werden konnte, nahm drei Nächte in 
Anspruch. Bei Morgengrauen wurde das Loch gegen Sicht der Russen immer wieder 
mit Sandsäcken und Schilfbelag maskiert. Als es breit genug war, legten die Pioniere, 
abermals nachts, Geleise bis ins Wasser hinab. Aus diesen wurden mittels Rädern 
die Pontons in der Nacht vom 1. aus den 2. Mai 1915 hinabgelassen. Im Morgengrauen 
erfolgte dann der Ueberfall, der die Ortschaft Otfinow in unsern Besitz brachte und 
die Festsetzung am jenseitigen Dunajecufer zur Folge hatte, wobei 1000 Russen ge 
fangen wurden." 
Nach solcherlei sorgfältigen Vorbereitungen und nach dem zermürbenden Artilleriefeuer 
setzte am Morgen des 2. Mai 1915 die Infanterie zum Sturm ein. „Ihr könnt gar nicht 
ahnen, wie gewaltig diese Durchbruchkämpfe waren," schreibt der Wiener Schauspieler 
Paul Richter, der als Reserveleutnant bei den Tiroler Kaiserjägern stand, nach der 
„Neuen Freien Presse" in einem Briefe an seine Verwandten. „Grausam! Die 
Hölle! Und doch schön! Wie wir den Feind besiegten, ihn vor uns hertrieben! 
Ein Jauchzen! Jeder Schritt ein Stück liebes Oesterreich wiedergewonnen, der Feind 
zurückgedrängt von Haus und Herd unserer teuren Lieben, die auf uns stolz sein 
werden. Die Kaiserjäger hatten besonders schwere Arbeit. Rechts von uns kämpfte 
die dritte Division, anscheinend das erste deutsche Gardekorps bei Gorlice. Vor uns 
lagen die schwersten steilen Höhen, direkt Zuckerhüte mit vierfachen Stellungen, vom 
Feinde befestigt und scheinbar uneinnehmbar. Nach den vergeblichen Stürmen am 
2. Mai gingen die Tiroler am Morgen des 3. Mai abermals den Berg hinan, von 
einem fürchterlichen Kugelregen empfangen. Frontal starkes Gewehrfeuer mit Salven, 
plötzlich von beiden Seiten Flankenfeuer aus fünf Maschinengewehren. Ich stand, viel 
mehr lag mit meiner Kompagnie inmitten des Feuerbereichs. Viermal in Intervallen 
von ungefähr zehn Minuten erneuerten wir den Sturmangriff. Meine Leute dampften 
vor Hitze und Erregung, und ich mußte sie verschnaufen lassen. Dann ein neuerlicher 
Sturmangriff. Rechts und links fielen die Braven, von feindlichen Kugeln getroffen. 
Ein Augenblick des Gedenkens an die Teuren daheim. Dann los! Ein Jäger reicht 
mir unwillkürlich die Hand. Im selben Augenblick zerschmettert ihm eine Kugel den 
Kops. Da packt einen eine Art Raserei, ein Druck legt sich auf das Hinterhaupt, das
	        
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