Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

Zwischen der oberen Weichsel u. der Reichsgrenze bis zur Wiedereroberung von Przemysl 171 
lösung hatte bereits einen derartigen Grad erreicht, daß, wenn der Feind an einer Stelle 
der Kampffront zähen Widerstand leistete, dieser dadurch vergeblich wurde, daß die 
Truppen rechts oder links jede Lust am Kampfe verloren hatten und vorzeitig das 
Weite suchten. So erwies sich auch die Behauptung der dritten Hauptstellung der 
Russen als unmöglich. Preußische Garde erreichte am Abend des Tages die Gegend 
von Scerzyny. Das ungarische Honvedregiment 10 setzte sich nach siebenmaligem Sturm 
in den Besitz einer Höhe nördlich Biecz, worauf sich die Besatzung der benachbarten 
Höhe ergab. Weiter südlich schickten sich deutsche Angriffstruppen gerade zum Vorgehen 
auf die Ostra Gora an, als der durch das schwere Artilleriefeuer erschütterte Feind 
weiße Fahnen schwenkte und sich in Scharen ergab, bevor noch ein deutscher Infanterist 
zum Angriff angetreten war. 
Am Abend des 4. Mai war der rechte Flügel der Armee Mackensen bis auf wenige 
Kilometer an die Wisloka herangekommen. Man rechnete mit neuen feindlichen Stel 
lungen auf dem Ostufer dieses Flusses, hatten doch auch Gefangene ausgesagt, daß die 
Russen die Landeseinwohner zum schleunigen Bau betonierter Unterstände gepreßt hätten. 
Dazu war aber für die russische Armee des einstigen bulgarischen Gesandten am Hofe 
des Zaren, des jetzigen russischen Generals und zum Fürsten erhobenen Armeeführers 
Radky Dimitriew keine Zeit mehr. Die Reserven waren verbraucht, neue Truppenver 
bände noch nicht zur Stelle und die Offensive der Verbündeten kannte kein Stocken. 
Bis zum Abend des 4. Mai war die Zahl der Gefangenen auf etwa 40000 ge 
stiegen. Unter den gefangenen Kosakenoffizieren wurden Analphabeten festgestellt, welche 
merkwürdige Tatsache in einem ausdrücklichen Vermerk in den Personalpapieren dieser 
Offiziere ihre Bestätigung fanden. 
11. Mai 1915. 
Am Abend des 4. Mai war der taktische Durchbruch vollendet. Trotz des Einsatzes 
namhafter Reserven und trotz aller vorbereiteten zweiten, dritten und vierten Linien 
war der Feind geschlagen und im vollen Rückzug über die Wisloka. Wie der offizielle 
russische Bericht selbst zugibt, war die Truppe vor allem durch die außerordentliche 
Wirkung der schweren Artillerie der Verbündeten stark erschüttert. Am Morgen des 
5. Mai meldeten die Flieger, die durch ihre Unermüdlichkeit und ausgezeichneten Mel 
dungen die Führung außerordentlich unterstützten und deren Tätigkeit durch eine warme, 
unverwüstliche Maiensonne ganz wesentlich begünstigt wurde, den Rückzug des Feindes 
auf allen von Jaslo nach Osten und Norden führenden Straßen. Sie waren sämtlich 
von in großer Unordnung abziehenden Kolonnen bedeckt; die Straßenbrücken bei Jaslo 
brannten; die Eisenbahnbrücken über Ropa uud Wisloka waren gesprengt. Nun war 
kein Zweifel mehr, daß der Feind nicht mehr die Kraft besaß, die Wislokalinie zu ver 
teidigen. Der Verzicht auf die Behauptung dieser Linie mußte aber von der weit 
tragendsten Bedeutung für die russische Nachbararmee werden, deren Stellungen im 
nördlichsten Zipfel Ungarns nunmehr unhaltbar wurden. Die strategische Wirkung des 
Durchbruchs mußte sich jetzt fühlbar machen, und die Aufrollung der russischen Kar 
pathenfront bis zum Lupkowsattel als Frucht des gelungenen Durchbruchs dem Sieger 
in den Schoß fallen. Zögerte der Feind mit dem Abzüge, dann wurden ihm die rück 
wärtigen Verbindungen verlegt und seine im Gebirge stehenden Truppen abgeschnitten. 
Tatsächlich brachte der Telegraph von der benachbarten Armee des Generals der In 
fanterie Boroevic von Bojna schon am frühen Morgen die Kunde, daß der vor ihr ge 
wesene Feind in der Nacht vom 4. zum 5. Mai den Abmarsch nach Norden angetreten 
habe, und daß er sich nahezu vor der ganzen Front im eiligen, teilweise stuchtartigen 
Rückzüge befände. Die dritte österreichische Armee folgte dem Feinde auf dem Fuße, 
um diesem aber womöglich noch die Rückzugstraße zu verlegen, ließ der den rechten Flügel
	        
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