Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

Zwischen der oberen Weichsel u. der Reichsgrenze bis zur Wiedereroberung von Przemysl 161 
Zusammenfassende Darstellung des Frühjahrsfeldzugs in Galizien 
bis zur Wiedereroberung von Przemysl am 3. Juni 1915 
Einen der glänzendsten Abschnitte in dem großen Kamps Oesterreich-Ungarns und 
Deutschlands mit der Menge rings anstürmender Feinde bilden die großen Kriegsereig 
nisse, die den verbündeten Heeren auf dem galizischen Kriegsschauplatz im Mai und 
Juni 1915 Erfolg aus Erfolg brachten und schließlich am 22. Juni mit der Rückeroberung 
von Lemberg gekrönt wurden: Der 52tägige Feldzug in Galizien. Eine treffliche Ueber 
sicht über die gewaltigen Geschehnisse, die aus dem Gewirr von Einzelhandlungen jene 
großen markigen Striche heraushebt, an denen unsere Erinnerung haften und den Weg 
weiser für das Verständnis des Miterlebten finden kann, bietet die als viertes Heft der 
österreichisch-ungarischen Kriegsberichte aus „Streffleurs österreichischer militärischer Zeit 
schrift" erschienene kurze Darstellung „Das österreichisch-ungarische Nordheer im Frühjahrs 
feldzug in Galizien". Der erste Teil bis zur Wiedereroberung von Przemysl sei 
hier wiedergegeben, der zweite bis zur Wiedereroberung von Lemberg soll dem späteren 
Kapitel über diese Kriegsereignisse vorangestellt werden. Der Bericht lautet: 
Nach der Osterschlacht in den Karpathen sahen sich die Russen gezwungen, ihre Durch 
bruchsabsichten nach Ungarn zunächst aufzugeben. Sie mußten eine längere Erholungs 
pause einschalten, um die stark gelichteten Truppen zu ergänzen und für den Beginn der 
besseren Jahreszeit in schlagfertigen Stand zu bringen. Aber sie glaubten, sich mit 
Ruhe der Erholung hingeben zu dürfen. Ihre Karpathenfront war stark befestigt, in 
deren Rücken gab es eine Menge vorbereiteter guter Stellungen, in denen selbst einem 
erfolgreichen Vorstoß der gegenüberstehenden Heere Boroevic, Böhm-Ermolli und 
Linsingen sehr bald Halt geboten werden konnte. Die westliche Flanke sicherte eine 
vom Karpathenkamm bis zur Mündung des Dunajec ziehende Linie von Befestigungen, 
die infolge der Gunst des Geländes und monatelangen Ausbauens geradezu als undurch 
dringlich betrachtet werden konnte. So mochte nur die östliche Flanke einige Sorgen be 
reiten, wo die Armee Pflanzer-Baltin seit dem Februar 1915 bis in die Niederungen 
Südost-Galiziens und über den Pruth und in der Bukowina bis an den Dnjestr vor 
gedrungen war. Hier häuften die Russen daher Truppenmassen an, um einem Vorstoß 
mit Kraft entgegentreten zu können. Vielleicht war diesem Flügel auch eine entscheidende 
Aufgabe zugedacht, sobald die russischen Armeen ihre Retablierung beendet hatten und 
zu einer neuen großen Offensive bereit waren. 
Die verbündeten Heeresleitungen erkannten aber, daß der Erfolg in den Karpathen 
mehr als eine glückliche Abwehr eines mächtigen Angriffs war, daß vielmehr der Lohn 
dieser Kämpfe, in denen so Viele Blut und Leben geopfert hatten, ein viel höherer, 
daß die Frucht so langer Mühen und Anstrengungen zur Reife gediehen war. Sie 
konnte gepflückt werden, als sich die deutsche oberste Heeresleitung entschloß, die Armee 
Mackensen auf diesen Kriegsschauplatz zu werfen. Sie sollte die Russen dort treffen, 
wo sie dies am wenigsten voraussetzten, an der westgalizischen Front, in der vom K. u. 
K. Armeeoberkommando längst als ausstchtsvoll erkannten Richtung längs der Becken 
reihe Jaslo-Krosno, wo schon in der ersten Hälfte März 1915 ein Versuch unternommen 
worden, aber nach anfänglichen Erfolgen an der Unzulänglichkeit der damals verfüg 
baren Kräfte gescheitert war. 
Rasch und ohne Aufsehen versammelte sich die Armee Mackensen hinter dem K. u. K. 
6. Korps, während Pflanzer-Baltin, die Karpathenarmeen und die nördlich der Weichsel 
stehenden Kräfte die Aufmerksamkeit der Russen durch rege Tätigkeit, Kanonaden und 
kleinere Vorstöße fesselten. Am 1. Mai 1915 abends ließ die gegenüber Tarnow stehende 
Armee Erzherzog Joseph Ferdinand ihren nördlichsten Flügel den Dunajec 
überschreiten, um die russischen Reserven dahin abzulenken. Am 2. Mai früh ent- 
Völlerkrieg. VI. 11
	        
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