Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

Zwischen der oberen Weichsel u. der Reichsgrenze bis zur Mai-Offensive der Verbündeten 109 
So blieb nur eine Belagerungsmethode: Aushungern. Der Festungskommandant 
General Kusmanek ordnete denn auch sofort eine strenge Regelung der Verpflegungs 
einteilung an. Offiziere und Mannschaften erhielten die gleiche Kost. Alle Hotels und 
Speisewirtschaften wurden geschlossen. Der einzige Erholungsort war ein Kaffeehaus, 
in dem jeder Gast nur einmal täglich ein Glas Tee oder Kaffee mit einem Stück Zucker 
erhielt. Anfang Januar 1915 erfolgte eine namhafte Reduzierung der Verpflegungs 
gebühr. Das Gemüse wurde, nachdem der Festungskommandant mit seinem Stabe eine 
achttägige erfolgreiche Probe gemacht hatte, durch die Futterrübe ersetzt. Gleichfalls seit 
Januar 1915 begann die Verwendung von Pferdefleisch sowie zu Mehl verarbeitetem 
Hafer sowohl für die Offiziers- wie für die Mannschaftsverpflegung. 
Przemysl aber stand und stand nicht nur, die Festung begann offensiv zu werden! 
In den beiden ersten Dezemberwochen mehrten sich die Ausfälle. General Tamassy, 
dieser gefürchtete Befehlshaber der Festungsinfanterie, vor dem jeder Russe sich bekreuzte, 
dem jeder auswich, weil er natürlich „unverwundbar war", wußte, weshalb er plötzlich 
an der Spitze seiner Helden vom 7. Honvedregiment am 14. Dezember 1914 angriff, 
und den Angriff gegen die Straße von Bircza trug. Große russische Massen stießen 
aus den Karpathen nordwärts. Sie wollten bei Limanowa zurechtkommen. Przemysl 
erhob sich plötzlich wie ein rasend gewordener Löwe. Den Russen blieb nichts übrig, 
sie mußten den Belagerern zuhilfe kommen. Przemysl band stärkere feindliche Kräfte, bis 
die Schlacht von Limanowa entschieden war, bis das Armee-Oberkommando durch Funk 
spruch befahl Geht heim, die Ausgabe ist erfüllt, habt eure Sache gut gemacht. Die 
Russen wurden gleichmütig, kommt Zeit, dachten sie, kommt vielleicht auch Hunger, kann 
sein, daß dies hilft. Um sich vor Ueberraschungen wie im Dezember zu schützen, bauten 
sie selbst um die Festung eine Festung, mit Gräben, Schanzen, Stacheldraht und Beton. 
Die Verhältnisse auf dem galizischen Kriegsschauplätze hatten es indessen mit sich ge 
bracht, daß der militärisch-strategische Wert der Festung wesentlich vermindert worden 
war. Przemysl war schließlich nur noch gewissermaßen eine Insel im russischen Meere, 
die sich nicht fühlbar machen konnte und nicht einmal mehr allzugroße russische Truppen 
mengen zu binden vermochte. Auch seine Wichtigkeit als Eisenbahnknotenpunkt fiel weg, 
weil die Russen die von Ostgalizien nach Westgalizien gehenden Eisenbahnlinien und 
Straßen außerhalb der Tragweite der Festungsgeschütze um Przemysl herumgelegt 
hatten, wozu sie während der langen Belagerung genügend Zeit hatten. Als am 
25. Januar 1915 die neue Offensive der verbündeten Truppen über die Karpathen be 
gann, hoffte man allerdings, wenn dies auch nicht das unmittelbare Ziel der Offensive 
war, Przemysl entsetzen zu können. Die fürchterlichen Wetterverhältniffe in den Kar 
pathen haben jedoch diese Offensive so verzögert, daß die Lage Przemysls mehr und 
mehr unhaltbar wurde. 
Anfang März 1915 unternahmen die Russen einen gewaltsamen Angriff auf das vor 
geschobene Werk Pod Mazurami. Es wurde wütend gekämpft, schließlich drangen 260 
Russen bis in das Werk ein. Da führte Major Tabody die Bataillonsreserve an und 
forderte die Russen zur Uebergabe auf. Als sie hiervon nichts wissen wollten, erstürmte 
Major Tabody mit seinen Honved das Werk und machte die meisten Russen nieder." 
„Am 18. März," erzählte Rittmeister Lehmann vom vierten Ulanenregiment, einer 
der beiden Offiziere, die mit einer Flugmaschine die Festung als letzte verließen, im 
Kriegspressequartier, „waren die letzten Vorräte ausgegeben und zugleich der letzte Durch- 
druchsversuch anbefohlen worden, der in der Nacht auf den 19. März ausgeführt wurde. 
Er scheiterte aber an dem undurchdringlichen mehrfachen Ring der russischen Ein 
schließungslinie und an den übermächtigen Kräften, die zeitgerecht an die bedrohten 
Stellen gezogen werden konnten. Unsere Mannschaft war durch das lange Hungern
	        
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