Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

100 Die russischen Kriegsschauplätze bis zurWiedereroberung von Przempsl 
die Verschwendung von Menschen waren ein eitles Bemühen angesichts des ehernen 
Walles der österreichisch-ungarischen und deutschen Truppen und der geschickten Manövrier 
kunst ihrer Führer, die trotz aller Hindernisse, die das Gebirge mit sich bringt, ihre Ver 
bände in ausgezeichneter Weise zu verschieben wußten, so daß immer neue Kräfte zur Stelle 
waren, wenn sich irgendwo nach tagelangem, furchtbarem Kampfe Ermattung zeigte." 
Wie die österreichisch-ungarischen Truppen im Winter 1915 in den Karpathen 
gekämpft haben 
Unter welchen Schwierigkeiten, aber auch mit welcher Ausdauer und Energie und vor 
allem einmütig und zuversichtlich von den österreichisch-ungarischen Truppen in den Kar 
pathen gegen die Unbilden der Witterung und die Anstürme des Feindes gekämpft 
worden ist, geht aus zahlreichen Briefen und Berichten hervor, aus denen hier einige 
besonders charakteristische Einzelschilderungen folgen sollen. 
Wie ein in Trient zusammengestelltes Marsch- (Ersatz-) Bataillon des seit De 
zember 1914 fast ununterbrochen kämpfenden Tiroler Landesschützenregiments Nr. 1 
in schwerem Schneesturm die Vereinigung mit seinem Regiment ermöglichte, schildert ein 
Feldpostbrief, der im „Wiener Fremdenblatt" veröffentlicht worden ist. Es heißt darin: 
„... Nun stehen wir am Fuße des Karpathenkammes, dessen weißer Rücken sich in 
schweren Schneewolken verliert, mit dem Befehl: „Uebergang über die Karpathen, Trains 
und Pferde zurücklassen, werden aus Umwegen folgen." Die Rekognoszierungspatrouille 
irgend eines anderen Regiments kommt den Hang herunter. An uns vorbeimarschierend, 
meldet sie, daß der Kamm heute nicht passierbar sei; droben tobe ein furchtbarer Schnee 
sturm, der meterhohe Schneewände aufgebaut habe und nichts Lebendes aus seinem 
Wirbel lasse; jede Spur sei im Nu verweht, Schneebretter brächen unter der geringsten 
Last und donnerten als Lawinen zu Tal. Die edelweißgeschmückten Söhne der Berge 
wollen es nicht glauben, ihr Hauptmann, in allen Tücken des Gebirgswinters wohl er 
fahren, glaubt es, und doch entscheidet er: „Wir wollen's versuchen! Die operative 
Lage gebietet unser rasches Erscheinen; das Regiment braucht uns zur Anfüllung seiner 
gelichteten Reihen." 
Schneereifen herunter, Schneebrillen vors Auge. Der Anstieg beginnt. Ehe wir noch 
in den tiefsten Schnee geraten, gewahren wir die eindrucksvollsten Zeichen des Krieges: 
Soldatengräber, geschaufelt auf der blutigen Walstatt. Auf dieser Rückfallkuppe muß 
vor Wochen erbittert gekämpft worden sein. Ein schlichtes Holzkreuz reiht sich an 
das andere. Zartfühlendes Verstehen ließ an manchem Kreuze zwei Querbalken ent 
stehen: Gräber der orthodoxen Moskowiter. Ungelenke Buchstaben künden die Namen 
der Helden, die fern der Heimat im Kampfe um Kaiser und Reich ihr junges Leben 
verhaucht. Da schleicht sich ein Schütze aus den Reihen, dort ein zweiter, ein dritter... 
Sie brechen Reisig von den Bäumen und flechten es zu Kränzen, mit denen die nächsten 
Gräber geschmückt werden. Dann wird die Wanderung bergauf fortgesetzt. Ein schmaler, 
gratartiger Abhangrücken führt zu den Höhen. Noch kündet uns das Gebirge nicht seine 
Wildheit. Nur allmählich lernen wir die Naturgewalten kennen. Erst wirbeln Flocken 
auf unsere Häupter, es folgt manch harter Windstoß, der die glitzernden Kristalle von 
den weiten Schneehängen aufzischen läßt wie weißen Dampf durch ein geöffnetes Ventil. 
Das beißt und ätzt die Haut, trübt die Brillen, raubt den Atem. Nach wenigen Se 
kunden schon ist die Windsbraut fortgezogen, nach diesen kurzen Proben ihrer Kraft, den 
ganzen Ungestüm ihrer Jugend für die sparend, die es wagen sollten, in ihr Höhenreich 
einzudringen. Wir wagen es. 
Nun stehen wir knapp unter dem Kamme. Wir wissen das, ohne ihn zu sehen. Vor 
uns türmt sich eine Schneemauer auf. Ihre Höhe ist nicht zu erkennen, denn ihr oberer
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.