Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

Zwischen der oberen Weichsel u. der Reichsgrenze bis zur Mai-Offensive der Verbündeten 89 
und festklemmen, hindern die Beobachtung ebenso wie die verschleiernden und täuschen 
den Nebelbildungen. Dabei werden die Winde in dem zerklüfteten Gelände in einer 
Weise gefangen und wieder zurückgeworfen, die eine Vorausberechnung der Luft 
strömungen geradezu ausschließt und den schwebenden Apparat fortwährend mit tückischen 
Ueberraschungen bedroht. Der Winterseldzug in den Karpathen stellte unsere Truppen 
noch vor weitere neue und beschwerliche Aufgaben. Zunächst mußten sich die deutsche 
und die österreichisch-ungarische Heeresverwaltung so miteinander einspielen, daß die 
Verschiedenheit der beiderseitigen Einrichtungen, Vorschriften und Gewohnheiten die 
glatte Arbeit des neuen Instruments nicht beeinträchtigte. Wohl selten hat es sich klarer 
gezeigt, was guter Wille vermag, als hier. Unterschiede, die man im Frieden für wesent 
lich hielt, werden durch freundschaftliches Entgegenkommen schnell ausgeglichen; aus 
zwei geschichtlich und grundsätzlich von einander abweichenden Verwaltungen ist eine 
dritte entstanden, die sich der Vorzüge beider zu bedienen weiß. 
Und dann die Witterung. Wir hatten von Ansang an mit einem strengen Winter 
gerechnet, zumal uns bekannt war, daß in den Karpathen die Kälte im Februar mit 
25 bis 30 Grad unter Null ihren Höhepunkt zu erreichen Pflegt. Kleidung und Aus 
rüstung der Truppe sind danach eingerichtet. Eine große Menge von Fuhrwerken haben 
wir auf Schlittenkufen gesetzt. Ganze Kompagnien sind mit Schneeschuhen ausgestattet. 
Auch an Eskimohunden fehlt es nicht, die bei dem starken Schneefall im Samariterdienst 
verwendet werden. Allein der Himmel zeigte sich von seiner launischen Seite. Klingen 
der Frost (bis zu 23 Grad) schlug mehrmals plötzlich in frühlingsmäßiges Tauweiter um; 
frischer, meterhoher Schnee schmolz unter lauen Regengüssen schnell wieder dahin. Die 
Kolonnen mit ihren Tausenden von Wagen und Schlitten mußten sich bald durch tiefen 
Schnee, bald über Glatteis, bald in wahren Morästen von Straßenschlamm vorwärts 
quälen, und häufig hatten sie auf ihrem Vormarsch, je höher sie stiegen, an einunddem- 
felben Tage all diese Hemmnisse der Reihe nach zu bewältigen. Für den durch solche 
Tagesleistung übermüdeten Soldaten erneuerte sich immer wieder die Gefahr, daß er 
am Abend, nichts als Schlaf und Ruhe begehrend, im Schnee niedersank und die tötenden 
Wirkungen des Frostes vergaß... 
Was nun die Quartiere betrifft, so konnte man sich von der armen und teilweise schon 
früher gründlich gebrandschatzten Bevölkerung der Karpathendörser von vornherein nicht 
viel versprechen. Es kann kaum etwas malerischer und urwüchsiger sein als die hölzernen, 
dünn mit Lehm verklebten, rosa oder bläulich angestrichenen Hütten jener Gegend. Diesen 
Blockhausbauten mit ihren hoch darauf gestülpten Dächern aus Schindeln oder Stroh 
sieht man gleichsam in jeder Fuge noch die Handarbeit an; sie erinnern in ihrer primi 
tiven Gestalt, in der ausschließlichen Verwendung heimatlicher Rohstoffe an die Höhlen 
und Zelte der Wilden, an die Nester der Vögel und an die erstaunlichen Gehäuse, womit 
tierischer Instinkt sich zuweilen umgibt. Aber darin zu wohnen, wird den Menschen aus 
einer höheren Lebenshaltung schwerer, als in Schützengräben oder auf freiem Felde zu 
kampieren. Zugluft und Rauch, Gerüche und Ungeziefer, Engigkeit und Schmutz hauche« 
dem Fremden eine Atmosphäre von Ungesundheit entgegen, die er nicht gerade als 
anheimelnd empfindet. Vor allem war es jedoch die gewaltige Zahl unterzubringender Men 
schen und Pferde, was die Militärbehörden veranlaßte, überall große Baracken zu errichten 
und, unter Schonung der Einwohner, selbst für die Unterkunft der Truppen zu sorgen. 
So finden wir an und neben den Heerstraßen außer den Tausenden, die selbst kämpfen 
oder den Kämpfenden ihren Lebensbedarf nachtragen sollen, noch ein zweites Heer, das 
Heer derArbeiter. Die einen bauen Baracken, die anderen schaufeln Schnee oder 
bessern die Straßen und Brücken aus. Eine höchst wichtige und schwierige Aufgabe ist 
den Pionieren zugefallen. Auf der Strecke der die Karpathen durchquerenden Eisenbahn
	        
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