Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

38 Die russischen Kriegsschauplätze bis zur Wiedereroberung von Przemysl 
bei Freund und Feind, nicht zum mindesten auch die Eigenart des russischen Gegners 
ermöglichen dort oben selbständige Unternehmungen kleinerer Truppenkörper, wie sie 
aus anderen Kriegsschauplätzen ganz undenkbar wären. An der Narew—Bobr- und 
Njemenfront haben solche Einzeloperationen während der letzten Monate in reicher Zahl 
stattgefunden. Sie traten neben den gewaltigen Kämpfen an anderen Stellen naturgemäß 
in den Hintergrund; dafür sind sie aber, wenn man genauer hinsieht, von hohem 
militärischem Interesse. Sie verlangen von den Führern in besonderem Maße 
Selbständigkeit und Entschlußfreudigkeit und stellen an die Truppen sehr bedeutende 
Anforderungen. Die überlegene Ausbildung des deutschen Offiziers und Soldaten, die 
sich in dem langwierigen Stellungskriege an der Westfront so glänzend bewährt, kommt 
an der Ostfront auch im Bewegungskriege kleineren Umfanges zur erfolgreichen Geltung. 
Die meisten dieser Einzelunternehmungen sind nur mit deutschen Führern und Truppen, 
manche auch wohl nur einem Feinde wie dem russischen Gegner gegenüber möglich. 
Besonders wohlgelungene Beispiele dafür, wie sich des Feldmarschalls von Hindenburg 
Russenstrategie auf kleinere Verhältnisse übertragen läßt, hat in der letzten Zeit der 
General der Infanterie Litzmann mit den ihm unterstellten Truppen geliefert. Er hält 
nach näherer Anordnung des Generalobersten von Eichhorn fest die Wacht südlich 
des Njemen gegenüber der großen russischen Festung Kowno und dem befestigten 
Platz Olita. Die Front seiner Truppenaufstellung glaubten die Russen durch 
brechen zu können. Aus dem großen Walde westlich von Kowno sandten sie Angriffs- 
kolonnen gegen den deutschen linken Flügel. General Litzmann aber holte schnell alles 
herbei, was an anderen Stellen entbehrlich war, und schlug mit den Truppen, wie sie 
gerade ankamen — manchen Verband erst auf dem Schlachtfelde formierend — die 
Russen bei Szaki so gründlich, daß sie in den Wald zurückfluteten. In diesem unüber 
sichtlichen Gebiet aber wollte der deutsche General sie auch nicht vor seiner Front haben. 
Er beschloß, den ganzen Wald, bis zu dessen Ostrand die Kanonen der Festung Kowno 
reichen, vom Feinde zu säubern. Dazu zog er nochmals so viel Truppen wie möglich 
nach links heran und leitete einen weitumfassenden Angriff ein. Von Süden her durch 
brach eine starke Kolonne aus Mariampol und aus der Szeczupalinie die ausgebaute 
Verteidigungsstellung der Russen und ging auf die Südecke des großen Waldes vor, wo 
sie bei Dembowa Ruda auf starken Widerstand stieß. Zugleich drang ein zweiter großer 
Truppenverband in den Nordteil des Waldes ein und marschierte, rechtsschwenkend, aus 
mehreren Parallelwegen in südlicher Richtung. Frontal ging von West nach Ost, dann 
Südost Kavallerie vor, die hier eine rein infanteristische Aufgabe vorzüglich löste, 
während eine zweite Kavallerieformation sich nicht von den Pferden zu trennen brauchte, 
sondern den Auftrag erhielt, auf dem äußersten linken Flügel am Njemen entlang vor 
zureiten und dem Feinde womöglich die Rückwege nach Kowno zu sperren. Es waren 
die glühend heißen Tage der zweiten Juniwoche, und in dem meilenweit ausgedehnten 
Tannenwalde herrschte bei völliger Windstille eine drückende Hitze. Aber der deutsche 
Siegeswille kannte kein Ermatten. Drei russische Stellungen, die in den Flußtälern des 
Waldes angelegt waren, wurden nacheinander von Norden her umfaßt und mußten 
aufgegeben werden. Die Russen erkannten die Gefahr des großen konzentrischen Angriffs 
und wehrten sich tapfer. Vor allem waren sie darum besorgt, die Rückmarschstraße nach 
Kowno möglichst lange frei zu halten. Wie unserer Südkolonne bei Dembowa Ruda, die 
nun weiter an der Kownoer Chaussee hinaufstrebte, so setzten sie der vom Njemen her 
umfassenden Kavallerie hartnäckigen Widerstand entgegen und ließen inzwischen nach 
Kowno enteilen, was noch flüchten konnte. Aber der Ring der deutschen Truppen schloß 
sich doch zu schnell. Als unsere unermüdlichen Kämpfer noch in der Nacht bis zum 
Bahnhof Koslowa Ruda im südlichen Teil des Waldes vorstießen, fanden sie dort ein
	        
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