Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

26 Die russischen Kriegsschauplätze bis zur Wiedereroberung von Przempsl 
nicht gelang, obwohl sie mit zwei- und dreifacher Ueberlegenheit mehrere Tage hinter 
einander die deutschen Stellungen angriffen. 
Am 9. März 1915 begann die deutsche Offensive gegen das auf dem rechten russischen 
Flügel vorgehende 3. Armeekorps. Als dieses sich plötzlich bei Lozdsieje aus Swiento— 
Jezitory von Norden her in der Flanke bedroht und umfaßt sah, trat es eilig den 
Rückzug in östlicher und südöstlicher Richtung an, mehrere Hundert Gefangene und 
einige Maschinengewehre in unserer Hand lassend. Durch diesen Rückzug gab der rus 
sische Führer die Flanke des benachbarten 2. Armeekorps frei, dessen Kolonnen am 
9. März, wie unsere wackeren Flieger meldeten, Berzniki und Gibr> erreicht hatten. 
Gegen dieses Armeekorps richtete sich jetzt die Fortsetzung der deutschen Offensive. Diese 
durchzuführen, war wahrhaftig keine Kleinigkeit, denn es herrschten 11 und mehr Grad 
Kälte und die Wege waren so glatt, daß Dutzende von Pferden aus Erschöpfung umfielen 
und die Infanterie nur zwei bis drei Kilometer in der Stunde zurückzulegen vermochte. 
Am 9. und 10. März kam es bei Sejny und Berzniki zum Kampf gegen den überraschten 
Gegner, dessen Vorhut sich bereits zum Angriff in westlicher Richtung bei Krasnopol 
entwickelt hatte, und der sich jetzt gezwungen sah, nach Norden Front zu machen. Sejnq 
und Berzniki wurden noch in der Nacht vom 9. zum 10. März erstürmt, bei Berzniki 
zwei ganz junge russische Regimenter völlig aufgerieben, die beiden Regimentskommandeure 
gefangen genommen. Der russische Armeeführer, der wohl eine Wiederholung der Um 
fassungsschlacht von Masuren kommen sah, gab am 10. März, die Aussichtslosigkeit 
weiteren Widerstands einsehend, seiner gesamten Armee den Befehl zum Rückzug. Bald 
konnten unsere Flieger die langen Marschkolonnen des Feindes wahrnehmen, der sich 
auf der ganzen Linie von Gibr> bis Sztabiz durch den Forst von Augustow in vollem 
Rückzug auf Grodno befand. Am 11. März besetzten unsere Truppen in der Ver 
folgungshandlung Makarze, Froncki und Giby. Eine deutsche Kavalleriedivision nahm 
noch in der Nacht Kopciowo im Sturm. Sie zählte dort allein 300 tote Russen und 
über 5000 Gefangene. Zwölf Maschinengewehre und drei Geschütze blieben in unserer 
Hand. Größere ernstliche Kämpfe hatten nicht stattgefunden, allein die Drohung mit einer 
kräftigen deutschen Umfassung hatte genügt, um nicht nur den bedrohten Flügel, sondern 
eine ganze feindliche Armee, die sich auf einer Frontbreite von nicht weniger als 
50 Kilometern zum Angriff aufgebaut hatte, zum schleunigsten Rückzug zu veran 
lassen. 
Die Tragweite einer derartigen Bewegung, ihre moralische Wirkung und die Einbuße 
an liegen gebliebenem Material aller Art, die nun zum zweitenmal den weiten Augu- 
stower Forst erfüllt, läßt sich zurzeit nicht übersehen." 
Die Kämpfe die sich infolge der neuen deutschen Offensive in den Tagen vom 9. bis 
11. März vor Grodno entwickelten, hat Rolf Brandt als Kriegsberichterstatter miterlebt; 
seinen anschaulichen Berichten, die auch in Buchform erschienen sind*), seien einzelne 
Schilderungen entnommen. Nachdem er bei Racicze die Erstürmung des Hügels 205, 
der die Straße nach Sopockinie beherrscht und dessen Besitz daher von ausschlaggebender 
taktischer Bedeutung war, mitgemacht hatte, fuhr er weiter ins Land hinein auf der 
Straße nach Lipsk und nach der Seenge von Augustow, der Rückzugsstraße des 25. russi 
schen Korps. „Immer wieder zur Linken," schreibt er in den „Leipziger Neuesten Nach 
richten", „dröhnten in großen Pausen die Kanonen von Grodno. Aus den Dörfern in der 
Feuerlinie zogen die Bauern mit Sack und Pack, mit Schlitten und Wagen landeinwärts. 
Die bunten Kopftücher der Frauen leuchteten. Es war wie ein Zug aus der Völkerwan 
derung. Ueber die trümmerbesäte Straße, die von der russischen Artillerie noch erreicht 
*) „Der große Vormarsch 1915" von Rolf Brandt, Verlag Egon Fleische! & Co., Berlin. 
Preis 2 1.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.