Volltext: Der Völkerkrieg Band 3 (3 / 1915)

68 Die russischen Kriegsschauplätze bis zur Winterschlacht in Masuren 
Kampf. Wie ein Sturm brausten die nachfolgenden deutschen Linien schon über den 
ersten Graben hinweg und dem zweiten entgegen. Es entspann sich ein heftiger Kampf, 
aber es wollte doch nicht so gehen, wie man es sich gedacht hatte. Frische Truppen, 
sibirische Regimenter, hatte der Feind in seine vordersten Gräben gestellt. Dem deutschen 
Sturm wurde ein russischer Gegenstoß bereitet, aber der einmal gewonnene Boden und 
der erste russische Graben blieben in den Händen unserer Truppen. Es war das in der 
elften Morgenstunde. Erneut setzte darauf der Artilleriekampf ein. Die Schwächen des 
Feindes, aber auch seine Stützpunkte waren erkannt, und sie wurden nun dementsprechend 
unter Feuer genommen. Auch am Nachmittag erfolgte noch ein neuer Jnfanteriesturm 
gegen den Dorfkopf von Humin und die ersten seitlich davorgelegten russischen Flan 
kierungsgräben. Sie waren es, die unsern Leuten während des Sturmes am schwersten 
zu schaffen machten. Aus ihnen brandete Gewehr- und Maschinengewehrfeuer auf die 
stürmenden Reihen, die fast manövermäßig zwischen dem Auf und Nieder und wieder 
Auf schossen und vorgingen, daß es eine helle Freude war. Aber gegen die russischen 
Erdstellungen, die in dem halbzerschossenen Dorf immer noch eine starke Rückendeckung 
besaßen, konnten die Unsern nicht. Wieder mußte die Artillerie eingreifen. Von 
neuem begann der Höllenspektakel der feuernden Geschütze. Einige Feldartillerie-Bat 
terien sandten unseren Jnfanterielinien Feuerverstärkung, indem sie einzelne Kanonen, 
trotz des gegnerischen Feuers, direkt bis in die Kampfstellungen brachten und einbauten... 
Es war nachmittags gegen 5 Uhr, und das Artilleriegefecht tobte weiter über die 
weiße Ebene dahin. Hier und da lagen einzelne tief eingeschneite Gehöfte. Wälder stan 
den in der Ferne als dunkle Silhouetten gegen den Himmel gerückt, an dem niedrig 
das dicke, schwerhängende Schneegewölk dahinzog. Zwischendurch aber klaffende Tiefen 
darin, höhere Wolkenvorhänge dazwischen, die von der untergehenden Sonne bestrahlt im 
satten Purpurlichte glühten. Wie ein zartes Schleiergewebe, duftig und köstlich frisch, 
spielte auf manche der vorüberziehenden Wolkenwände der Sonnenglanz hinüber und 
färbte die grauweißblauen Gebilde noch mit einem zartroten Schimmer. Eine wunder 
volle Majestät besaß in dieser Stunde der Himmel. Unten aber auf der Erde, über die 
weiße Ebene, schoben sich noch immer unsere kämpfenden Truppen an den Feind heran. 
Das Jnfanteriefeuer kam von neuem in Gang, und wurde, je näher die Dämmerung 
kam und zunahm, je stärker die Abendschatten die Nacht vorbereiteten, um so lebhafter. 
Es war nichts von der Größe des ungeheuren Artilleriegefechtes darin. Man spürte 
allein schon aus dem kurzen, unruhigen Geknalle, das fortgesetzt heftiger und heftiger 
wurde, daß sich die Gegner hart gegenüberlagen. Die Unsern hielten den ersten rus 
sischen Graben, den sie am Vormittag genommen hatten, fest. Während ein Teil der 
Mannschaften am Gewehr stand, bauten die anderen mit Hilfe der Pioniere den russischen 
Graben um. Die sofort nachgeführten Maschinengewehre bekamen neue Stellungen. 
Man richtete sich auf einen russischen Gegenstoß ein, der als selbstverständlich in der 
Nacht zu erwarten war. Und der Angriff erfolgte. Jedoch nicht in der Heftigkeit, wie 
man gedacht hatte, und das schien das erste Zeichen der bevorstehenden Erschütterung 
zu sein. Am Gewehr stehend, verbrachten die Leute, die den Sturm vollführt hatten, 
noch feuernd die Nacht. Ueberall auf der ganzen Front flammten schnell eingebaute 
Scheinwerfer auf, die mit langem Strahl durch das Dunkel griffen. Ununterbrochen ver 
nahm man das Geknatter und Geratter der Gewehre. Und alle paar Minuten auf 
steigende Raketen; die russischen fielen in der Höhe zu einem leuchtenden Schwarm aus 
einander, die deutschen entwickelten sich zu einem großen, ruhig flammenden Ball. 
Am 1. Februar. Der zweite Schlachttag brach mit dunstigem Wetter an. Die Artillerie 
setzte mit ihrer Beschießung erneut ein. Humin, das Nest des Feindes, mußte fallen^ 
und so gab es das gewaltige Artilleriekonzert zum dritten Male. Im Laufe des Vor-
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.