Volltext: Der Völkerkrieg Band 3 (3 / 1915)

66 Die russischen Kriegsschauplätze bis zur Winterschlacht in Masuren 
zur Höhe hinauf, klang durch Sekunden fort und entschwand in der Ferne wie etwas ganz 
Rätselhaftes, ganz Ungeheuerliches... Von einem Flammenschein umgeben, grell um 
brandet von blendendem Licht, von einer Feuergarbe hochaus umloht, zuckte das gedrun 
gene Rohr des Geschützes im Augenblick des Abseuerns zurück... Staubwolken wirbelten 
auf; sie mischten sich Grau in Grau und Braun mit dem aufsteigenden, das ganze Geschütz 
für einige Augenblicke vollkommen verhüllenden Pulverdampf, und aus der Lust nieder 
fielen noch minutenlang die Stücke des in Hunderte von Fetzen zerrissenen Deckels der 
Kartuschlädung... Wie mußten sich nach jedem Schusse die schweren Haubitzen und 
selbst die 21-Zentimeter-Mörser, die sonst im Schlachtenkonzert das große Wort sprechen, 
zusammennehmen, um wieder gehört zu werden!... Eine ganze Batterie kam nicht 
gegen einen der österreichischen Mörserschüsse an. Sie bellte heiser und dünn gegenüber 
der Stimme des Riesenmordinstrumentes. 
Ein- über das andere Mal haben wir in den Stunden dieses wild und heftig toben 
den Artilleriekampfes im Stillen gedankt, daß nicht den Unsern der Granatsegen über die 
Köpfe geschüttet wurde; denn bei der Fülle konnte die Wirkung nicht ausbleiben. Im 
Laufe des Morgens hellte das Wetter auf, und so gewannen die Artilleriebeobachter, die, 
eng nebeneinander gedrückt, oben in den beiden Kirchtürmen von Bolimow saßen, auch 
eine gute Sicht: sie konnten das Artilleriefeuer zweckentsprechend leiten. Das Telephon 
übermittelte die Befehle, das Scherenfernrohr kontrollierte die Schußwirkungen, denn 
man sah deutlich, wie in der Entfernung von einigen Kilometern der Geschoßhagel auf 
die feindlichen Gräben niederstürzte. Hochauf sprangen bei den Einschlägen die Erd 
fontänen. Ueber den russischen Schützengräben lag eine langgestreckte Weiße Pulver 
wolke, die, in sich auf und ab brodelnd, eine große wogende Wand bildete. Und dahinter, 
gegen Humin, richteten die Mörserbatterien, die deutschen wie die österreichischen, ihr 
verheerendes Feuer. Ungeheuer war der dumpfe Donner der Geschütze, die Heftigkeit des 
Artilleriekampfes, durch den der Feind erschüttert werden sollte. Die Luft war wie von 
wild ausgeteilten Gigantenhieben in Aufruhr versetzt. Das pfiff und heulte, das schrie, 
klagte, brauste wie Meeresbranden, wie unholdmäßig grollendes Ungewitter, dröhnte mit 
hundertfältigem scharfen Echo; und dazwischen brachen mit dumpfen Knall die 
gegnerischen Granaten nieder. Denn der Russe antwortete, er schickte unsern Linien 
Schrapnells entgegen, suchte unsere Geschütze in der Rawkaniederung, streute nach seiner 
Kampfart das ganze Gelände mit „Schwarzen Säuen" ab. In den Rawkagrund, die 
breite, sumpfige Flußniederung, brachen die Granaten ein; sie durchschlugen die Eis 
decke, die mit ungeheuerem Getöse brach, während aus der aufgewühlten Tiefe die Moor 
wasserfontänen dunkel in die Höhe spritzten. Vor und hinter den Batterien lagen die 
Sprengpunkte, die russischen Einschläge; in dunkeln Löchern kennzeichneten sie sich, die 
hartgefrorene Erde war in dicken, schlackigen, zentnerschweren Stücken aufgebrochen und 
über die Weiße Schneedecke, weithin geweht, lag dunkelbraun der Erdstaub der tief auf 
gerissenen und hochgeworfenen Masowischen Scholle... 
Von einem der vorgeschobenen Gefechtsstände gelang es mir, den Sturmangriff 
unserer Infanterie zu beobachten. Zur bestimmten Stunde schwieg plötzlich der Geschütz 
lärm. Das Feuer brach ab und wenige Minuten danach erhoben sich die bereitgestellten 
Jnfanteriemassen. Aus ihren Gräben stiegen sie auf, kletterten über die Wälle der 
eigenen Schützenstellungen, suchten Deckung im Gelände, wo die russische Infanterie sie 
mit Gewehr- und Maschinengewehrfeuer empfing. Doch das war nur einen Augenblick, 
dann ging es im Sprung voran; die angreifende Linie wurde dünn, sie schwärmte aus 
einander und suchte immer wieder unter kurzem Deckungnehmen voranzukommen. Kurze 
Minuten, und dann: schon war der erste russische Graben erreicht. Stürmend, mit 
Bajonett und Kolben ging es heran und hinein. Mann gegen Mann entspann sich der
	        
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