60 Die russischen Kriegsschauplätze bis zur Winterschlacht in Masuren
tem Rückzug benutzen wollte, schoß eine schnell vorgezogene Haubitzbatterie die Bahnhöfe,
denen sie zustrebten, innerhalb weniger Minuten in Brand. Schon vorher hatte Kaval
lerie die Bahn an drei Stellen gesprengt. Junge süddeutsche Regimenter erhielten bei
dem blutigen Ringen um Lodz ihre Feuertaufe....
Furchtbar hat das russische Militär in Konstantynow gehaust. Während später
kein deutscher Soldat sich am Eigentum der Einwohner vergriff, stahlen die Russen, was
sie fanden, selbst Gegenstände, die ihnen im Felde nur eine unnütze Last sein mußten.
Und dabei waren es zum großen Teil Leute vielgerühmter Garderegimenter. Selbst
die strengsten Verbote, die der Kommandant gegen die Zügellosigkeit der Mannschaften
erließ, fruchteten nichts. Schließlich ließ er vierzig Mann auf dem Markte erschießen.
Von den Getöteten trug einer den Pelz des katholischen Geistlichen.
Wenig gelitten hat L e c z y c a, in dessen Gassen es zum Handgemenge kam. Schon
sieht man, wie Vorboten stillerer Tage, an einigen Stellen Arbeiter mit der Ausbesserung
der Straße von dort nach Osorkow—Zgierz beschäftigt. Osorkow ist ganz unbeschädigt
geblieben, auch hat sich kein Mangel an Lebensmitteln fühlbar gemacht. Deutsche Truppen
hielten eben seit über drei Wochen die Stadt besetzt, und sorgten für Ordnung und Ruhe."
Die Massenverluste der Russen in dieser gewaltigen Schlacht waren ungeheuer.
Außer dem Verlust an Mannschaften büßten sie hunderte von Geschützen und Maschinen
gewehren ein. Von russischen Generälen fiel General W e l i t s ch k o, der komman
dierende General eines sibirischen Armeekorps; General Scheidemann wurde tödlich
verwundet. Außerdem wurden in den Kämpfen bei Lodz und Lowicz acht russische
Generäle schwer verwundet, darunter Graf Keller und General Orlow. Ihr Führer
Rennenkampf kam dabei um Ehre und Ruf und wurde vor ein Kriegsgericht gestellt.
Kaum war der Sieg von Lodz errungen, da begann Hindenburg ihn auch sofort
auszunutzen. In heftigstem Kampf folgte die Armee Mackensen den von Lodz abgedräng
ten russischen Armeen, Schritt für Schritt mußte der Boden dem Feinde abgerungen
werden, der sich in drei, vier Stellungen hintereinander, die außerdem noch durch Draht
hindernisse geschützt waren, eingegraben hatte.
Aus den Kämpfen um Lowicz
Nach vierzehntägigen, schweren Kämpfen gelang es den heldenmütigen, nach der
Schlacht von Kutno (vgl. S. 34) von Norden her vordringenden Truppen unter General
leutnant von Morgen, Lowicz, einen der wichtigsten Eisenbahnknotenpunkte, ein
zunehmen. In der Umgebung der Stadt hatten die Russen große Truppenmassen ver
einigt, die Stadt selbst zur Festung ausgebaut, die den Schlüsselpunkt ihrer ganzen
Bzurastellung bildete und hartnäckig verteidigt wurde. Die deutsche Artillerie und die
österreichisch-ungarischen Motorbatterien bombardierten die Stadt ohne Unterlaß. Die
Häuser und Straßen wurden von den Granaten und Schrapnells überschüttet, Lowicz
fast vollständig vernichtet, die Umgebung verheert.
Adolf Zimmermann schildert in der „Täglichen Rundschau" eine Episode aus diesen
Kampftagen, die die Schwere des Ringens klar erkennen läßt: „Eine Division stieß, nach
dem unter ihrer tatkräftigen Mitwirkung Lodz gefallen war, von Norden gegen Lowicz
vor. Am 10. Dezember 1914 stand eine ihrer Brigaden südlich der Straße Kiernozia—
Rybno auf der Höhe von Olszhny. Sie erhielt den Befehl, durch einen Nachtangriff das
Dorf Osieg an der Straße Lowicz—Wisceliwy zu nehmen, das sich längs der Straße
als der übliche dünne Gehöftriemen von Norden nach Süden hinzieht. Osieg und Zuosieg
lagen damals in der Front der Russen, die die Bzura noch hielten und westlich von dieser
standen. Ein russischer Schützengraben lief parallel mit den Orten westlich vor diesen;
Zuosieg war noch hinter dem ersten durch einen zweiten Graben geschützt, in den jener