Volltext: Der Völkerkrieg Band 3 (3 / 1915)

188 Die Ereignisse an der Westfront von Mitte Januar bis Mai 1915 
der schon 49 Jahre Priester war, einquartiert und habe mich mit ihm allabendlich über 
wissenschaftliche Fragen auf den verschiedensten Gebieten sehr angeregt unterhalten. Daß 
ich selbst Protestant war, wurde nur am ersten Abend von mir erwähnt und wurde dann 
in den ganzen acht Wochen unseres Zusammenseins nicht wieder berührt. 
Die Gefangennahme des französischen Fliegers Garros 
Am 18. April 1915 ist der bekannte französische Fliegerleutnant Garros südlich von 
Jngelmunster in Flandern durch das Gewehrseuer einer Bahnschutzwache zur Landung 
gezwungen und gefangen genommen worden. Die Kriegszeitung der 4. Armee entnahm 
dem Bericht des Führers der Wache, Feldwebelleutnant Schlenstedt, von der 1. Kom 
pagnie des Landsturm-Jnsanteriebataillons Wurzen folgende Einzelheiten: „Gegen 7 Uhr 
abends erschienen zwei feindliche Flieger in großer Höhe über dem Gelände zwischen 
Sainte-Katherine und Lendelede. Der eine wurde von einer Ballonabwehrkanone beschossen 
und verschwand in der Richtung auf Menin. Der andere flog in nordöstlicher Richtung 
über Lendelede hin. In diesem Augenblick näherte sich auf der Bahnlinie Jngelmunster— 
Kortryk von Norden her ein Eisenbahnzug. Kaum hatte der Flieger diesen gesichtet, 
als er plötzlich in einem steilen Gleitfluge von fast 60 Grad aus über 2000 Meter Höhe 
bis aus etwa 40 Meter herunterging. Er beschrieb über dem Eisenbahnzuge eine ganz 
kurze Schleife mit fast senkrecht stehenden Flügeln und warf eine Bombe, die jedoch ihr 
Ziel verfehlte und keinen Schaden anrichtete. Sie riß 40 Meter östlich der Bahnlinie 
ein Loch von einem Meter Tiefe und zwei Metern Durchmesser in den Boden. Der 
Lokomotivführer hatte inzwischen den Zug zum Stehen gebracht. 
Als der Flieger in erreichbare Nähe kam, eröffnete die Bahnschutzwache auf Befehl 
des Feldwebelleutnants Schlenstedt das Feuer aus ihn. Zeitweise wurde er aus-kaum 
100 Meter Entfernung beschossen. Er versuchte nach Abwerfen der Bombe zu ent 
kommen, stellte seinen Motor wieder an und stieg unter dem steten Feuer der Land 
sturmleute steil bis zu ungefähr 700 Meter Höhe auf. Plötzlich schwankte das Flugzeug 
merklich, das Geräusch des Motors verstummte, der Flieger setzte zum flachen Gleitflug 
an und ging in der Richtung auf Hülste nieder. 
Der Führer der Landsturmwache nahm sofort mit einem Teil seiner Leute die Ver 
folgung auf. Der Flieger steckte gleich nach der Landung sein Flugzeug in Brand 
und flüchtete nach dem Gehöft eines Bauern in Hülste. Feldwebelleutnant Schlenstedt 
kam auf seinem Fahrrad als erster auf der Landungsstelle an. Nach und nach trafen 
außer den Landsturmleuten und einem Wachtmeister von einer Fuhrparkkolonne noch 
einige Angehörige einer württembergischen Reserve-Kavallerieabteilung in Hülste ein 
und halfen nach dem Flieger suchen." 
Der Ruhm, Garros gefangen genommen zu haben, wurde dem sächsischen Landsturm 
von württembergischen Dragonern streitig gemacht. Im „Schwäbischen Merkur" schildert 
ein württembergischer Sanitätsunteroffizier den Vorgang der Gefangnahme nach seinen 
Tagebuchaufzeichnungen folgendermaßen: „Als ich mit einem Unteroffizier und einem 
Gefreiten von den Dragonern die Gräben abschritt, rief der Unteroffizier plötzlich: „Da 
liegt er ja!" Ich dreh mich herum und springe hinzu, schon zieht der Unteroffizier den 
Degen. Der Flieger ist schnell aufgestanden, als sich ihm mein anderer Begleiter mit 
dem Karabiner näherte. Ich rufe: „Levez les bras!“ als ich sehe, wie er in die Tasche 
langt, und: „Hands up!“ mehreremale, bis ich vor ihm stehe und er den Befehl befolgt. 
Daraus untersuchen wir die Taschen, finden aber nur Geldbörse und einen Papierfetzen. 
Wir packen ihn nun links und rechts am Handgelenk und führen ihn so ab, einen 
schönen schwarzhaarigen Franzosen mit hoher weißer Stirn, etwas geschweifter Nase und 
kleinem schwarzem Schnurrbart. Mit aufeinandergepreßten Lippen schaut er uns an aus
	        
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