Volltext: Der Völkerkrieg Band 3 (3 / 1915)

Der flandrische Kriegsschauplatz 
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„In einer Veröffentlichung vom 21. April 1915 (vgl. S. 145) beklagte sich die englische 
Heeresleitung darüber, daß deutscherseits entgegen allen Gesetzen zivilisierter Kriegführung 
bei der Wiedereinnähme der Höhe 60 südöstlich Ipern Geschosse, die beim Platzen erstickende 
Gase entwickeln, verwendet worden seien. Wie aus den deutschen amtlichen Bekannt 
machungen hervorgeht, gebrauchen unsere Gegner seit vielen Monaten dieses Kriegsmittel. 
Sie sind also augenscheinlich der Meinung, daß das, was ihnen erlaubt sei, uns nicht 
zugestanden werden könne. Eine solche Auffassung, die in diesem Kriege ja nicht den 
Reiz der Neuheit hat, begreifen wir, besonders im Hinblick daraus, daß die Entwicklung 
der deutschen Chemiewissenschaft es natürlich gestattet, viel wirksamere Mittel einzusetzen 
als die Feinde — können sie aber nicht teilen. Im übrigen trifft die Berufung auf die 
Gesetze der Kriegführung nicht zu. 
Die deutschen Truppen verfeuern keine „Geschosse, deren einziger Zweck ist, erstickende 
oder giftige Gase zu verbreiten" (Erklärung im Haag vom 29. Juli 1899), und die beim 
Platzen der deutschen Geschosse entwickelten Gase sind, obschon sie sehr viel unangenehmer 
empfunden werden als die Gase der gewöhnlichen französischen, russischen oder englischen 
Artilleriegeschosse, doch nicht so gefährlich wie diese. Auch die im Nahkampf von uns 
verwendeten Rauchentwickler stehen in keiner Weise mit den „Gesetzen der Kriegführung" 
im Widerspruch. Sie bringen nichts weiter als die Potenzierung der Wirkung, die man 
durch ein angezündetes Stroh- oder Holzbündel erzielen kann. Da der erzeugte Rauch 
auch in dunkler Nacht deutlich wahrnehmbar ist, bleibt es jedem überlassen, sich seiner 
Einwirkung rechtzeitig zu entziehen. 
Diese kurze, den Tatbestand eigentlich erschöpfende Erklärung konnte jeden Unvorein 
genommenen überzeugen. Wenn trotzdem unsere Feinde die Anschuldigungen weiter ver 
breiten, so ist dagegen im wesentlichen nur noch der ausführliche Nachweis zu führen, 
daß die Franzosen und Engländer tatsächlich lange vor uns Stickgase zur Anwendung 
gebracht haben. Auch wird man etwas näher auf die Geschichte und den Sinn der 
Haager Erklärung von 1890 eingehen können, um die „Entrüstung" unserer Gegner ins 
rechte Licht zu setzen. 
Seit vielen Monaten gebrauchten die Franzosen und die Engländer Geschosse, die 
beim Platzen erstickende Gase entwickeln, und es ist festzustellen, daß aus ihrer Seite die 
Verwendung von Stickgasen nicht etwa ab-, sondern erheblich zunahm, ja: daß umfassende, 
systematische Vorbereitungen dafür getroffen wurden. Wir erinnern zunächst an die deut 
schen Hauptquartierberichte vom 13., 14., 16. und 17. April (vgl. S. 13, 69, 70, 144), 
in denen amtlich gemeldet wird, daß die Franzosen bei Suippes und bei Verdun, die 
Engländer bei Ipern wieder Geschosse, Minen und Bomben mit erstickend wirkender Gas 
entwicklung angewendet haben. Der Bericht vom 16. April 1915 sagt ausdrücklich: „die 
Verwendung von Bomben mit erstickend wirkender Gasentwicklung und von Infanterie- 
explosivgeschossen seitens der Franzosen nimmt zu." 
Für jedermann, der sich ein unbefangenes Urteil bewahrt hat, werden diese amtlichen 
Feststellungen der durch strenge Wahrhaftigkeit ausgezeichneten deutschen Heeresleitung 
schon genügen, um die Verwendung von Stickgasen seitens unserer Gegner als bewiesen 
anzusehen. Wer trotzdem noch an der Tatsache zweifelt, der entnehme den Nachweis für 
die planmäßige Vorbereitung dieser Kampfart durch die Franzosen der nachfolgenden Mit 
teilung des französischen Kriegsministeriums, geschrieben am 21. Februar (!) 
1915. Sie lautet in deutscher Uebersetzung: 
Bemerkungen über Geschosse mit betäubenden Gasen. 
Die sogenannten Geschosse mit betäubenden Gasen, die von unserer Zentralwerkstätte 
hergestellt werden, enthalten eine Flüssigkeit, die nach der Explosion Dämpfe ausströmt, 
die Augen, Nase und Kehle reizen.
	        
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