156 Die Ereignisse an der Westfront von Mitte Januar bis Mai 1915
aber schließlich zurückgeschlagen und trotz wiederholter Versuche aus einer Linie nördlich
und südlich von Verlorenhoek aufgehalten wurde. Dem 12. London-Regiment gelang
es unter großen Opfern, die ursprüngliche Linie zu gewinnen. Am 9. Mai setzten die
Deutschen die Beschießung fort. Sie konzentrierten ihr schweres Granatenfeuer auf die
Gräben der Gloucestershires und der Cameron-Hochländer, und ließen einen Infanterie-
angriff folgen, der zurückgeschlagen werden konnte. Ein erneuter Angriff führte zur
Eroberung eines 150 Iards breiten Grabenstückes. Die Gloucestershires wagten einen
Gegenangriff, erlitten jedoch schwere Verluste und mußten den Versuch aufgeben. Um 3 Uhr
nachmittags beschoß der Feind die gesamte Front der im Zentrum befindlichen Division;
es wurde gemeldet, daß die rechte Brigade dieser Division schwere Verluste hätte, sich
aber noch halten könne.
Am 10. Mai waren die Gräben auf beiden Seiten des Weges von Menin nach Ipern
einer schweren Beschießung ausgesetzt. Nachdem die Gräben vollständig zerstört, und
größere Teile der Besatzung unter den Trümmern begraben waren, gingen die King's
Royal Riffes und die 4. Schützenbrigade auf die Gräben westlich vom Bellegarder
Walde zurück. Die Beschießung war so heftig, daß der Versuch, eine Verbindung mit
dem Wald zu schaffen, aufgegeben werden mußte, weil die gefällten Bäume ein undurch
dringliches Hindernis bildeten. Am 11. Mai konzentrierte die feindliche Artillerie ihr
Feuer auf die Stellung der 2. Cameron-Hochländer und der 1. Argyll- und Sutherland-
Hochländer. Die Deutschen griffen dann mit großer Macht an, und es gelang ihnen,
in die Gräben einzudringen. Zweimal wurden sie vertrieben, kamen aber immer wieder.
Schließlich mußte das Grabenstück, das inzwischen vollständig eingeebnet und durch das
schwere Granatenfeuer des Feindes unhaltbar geworden war, geräumt werden. Die Stellung
wurde nur durch die überlegene Artillerie des Feindes bewältigt. Wir fügten ihm aber schwere
Verluste zu, außerdem dürfte die gewonnene Stellung für ihn nicht von großem Werte sein.
In der Nacht vom 12. zum 13. Mai wurde die Linie reorganisiert und die Division
im Zentrum durch zwei Kavalleriedivisionen ersetzt. Am 13. Mai um 4 Uhr 30 Min.
morgens brach das schwerste Bombardement aus, das jemals zu verzeichnen war, und
dauerte ohne Unterbrechung den ganzen Tag hindurch. Gegen 8 Uhr abends mußte die
Kavalleriebrigade zu beiden Seiten der Bahnlinie, nachdem sie schwere Verluste erlitten
hatte und ihre Gräben so gut wie verschwunden waren, um etwa 800 Iards zurückweichen."
Zum Schluffe berichtet French, daß er von den verlorenen Kilometern etwa 600 Iards
zurückgewonnen habe.
Ueber die Berechtigung der Verwendung von betäubenden Gasen im Kriege
Nachdem die Franzosen und Engländer systematisch seit vielen Monaten Geschosse
mit betäubenden Gasen zur Anwendung gebracht hatten, sah sich die deutsche Heeresleitung
gezwungen, auch ihrerseits diese neuen Kampfmittel zu benutzen. Sofort erhob sich ein
Sturm der Entrüstung bei den Verbündeten, der zu einer wohl offiziösen Erklärung des
Wolffschen Telegraphenbureaus über die Berechtigung der Verwendung von betäubenden
Gasen bei Kriegshandlungen veranlaßte, die folgenden Wortlaut hat: „Im Auslande
wird die deutsche Armee wegen der kriegsmäßigen Verwendung von betäubenden Gasen
noch immer mit Vorwürfen überhäuft. Soweit dem nicht völlige Unkenntnis der tat
sächlichen und der rechtlichen Verhältnisse zugrunde liegt, kann es sich nur um eine ge
heuchelte Entrüstung handeln. Man will die deutsche Kriegführung mit allen Mitteln
verächtlich machen, um die Augen der Welt von den zahlreichen Verletzungen des Kriegs
rechts abzulenken, die unsere Feinde sich zu schulden kommen lassen.
Die wahre Sachlage ergibt sich aus der folgenden Erklärung des Großen Haupt
quartiers, die am 22. April 1915 bekannt gegeben wurde: