Der flandrische Kriegsschauplatz
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Nachdem der Feind sich am Westufer des Ipernkanals festgesetzt hatte, befürchtete
ich, daß ein Keil zwischen die französischen und belgischen Truppen getrieben werden
könnte. Ich ordnete deshalb an, daß ein Teil der nordwärts gesandten Verstärkungen
zur Unterstützung des Generals Pulz verwendet werden sollte, dem es sonst schwer
gefallen wäre, ein weiteres Vordringen der Deutschen am Westufer zu verhindern.
Am Morgen des 23. April besuchte ich General Foch, der mir mitteilte, daß es seine
Absicht sei, die ursprüngliche Linie wiederherzustellen und die Gräben zurückzugewinnen,
die die französische Division verloren hatte. Er sprach den Wunsch aus, daß ich meine
jetzige Linie beibehalten möchte, wobei er mir die Versicherung gab, daß die ursprüng
liche Stellung in wenigen Tagen wiedergewonnen sein werde. Er teilte mir auch mit,
daß bedeutende Verstärkungen unterwegs wären, um General Pulz zu stützen. Ich war
mit dem klugen Wunsch des Generals, die alte Linie wiederherzustellen, einig und ver
sprach, mit ihm zusammenzuwirken unter der Bedingung, daß die Position innerhalb
einer bestimmten Frist wiederhergestellt sein müßte, andernfalls könnte ich die britischen
Truppen nicht in einer solch entblößten und gefährlichen Lage belassen. Am 23. April
war die deutsche Artillerie während des ganzen Tages sehr tätig, und der Verlust un
serer Geschütze, der uns verhinderte, wirksam zu begegnen, erschwerte unsere Lage be
deutend. Die Lage östlich des Kanals war in den folgenden zwei bis drei Tagen äußerst
kritisch. Die Verwirrung, die durch den plötzlichen Rückzug der französischen Division
entstand, führte zu einem Durcheinander der Verbände und zu einer Verschiebung in
den Kommandoverhältnissen, die kaum zu vermeiden war. All das führte zu schweren
Verlusten, aber erst am 25. April gelang es dem Feinde, den linken Flügel der kana
dischen Division von dem Punkte zurückzutreiben, an dem er die Verbindung mit der
französischen Linie bewerkstelligt hatte. Den Franzosen war es gelungen, Lizerne zurück
zugewinnen und bei Steenstraate und Het Sas einige Vorteile zu gewinnen, aber bis
zum 28. April war die Wiedereroberung der ursprünglichen Stellung um keinen
Schritt weiter gediehen, und ich gab deshalb Sir Herbert Plumer, der die Operationen
leitete, Anweisungen, den Rückzug aus die festgesetzte neue Linie vorzubereiten. Am
Morgen des 29. April beschwor mich General Foch, den Rückzug noch hinauszuschieben
und den Angriff abzuwarten, der am 30. April nach Eintreffen namhafter Verstärkungen
erfolgen sollte. Ich willigte in den Aufschub ein. Da die Franzosen aber keine nennens
werten Fortschritte machen konnten, befahl ich, den Rückzug zur neuen Linie am 1. Mai
zu beginnen. Die neue Linie wurde dementsprechend am 4. Mai bezogen. Während
des ganzen Zeitraumes, von dem Tag ab, an dem der erste Durchbruch erfolgte, waren
alle Truppen im Kampfgebiete einer ständigen, überaus heftigen Artilleriebeschießung
ausgesetzt, zu der anscheinend eine riesige Zahl von Geschützen und ein unbegrenzter
Munitionsvorrat zur Verfügung stand. Unter einem derartig überlegenen Feuer war
es unmöglich, wirksame Verschanzungen zu graben und die Linie gehörig auszubauen,
zumal sich Verwirrung und Demoralisation nach der ersten großen Gasüberraschung
und den folgenden Gasangriffen geltend machten. Am 8. Mai begann ein rasendes
Bombardement gegen die gesamte Front des 5. Korps, das sich allmählich auf die Front
der Division vor Frezenberg konzentrierte. Dieses Feuer ebnete unsere Gräben voll
ständig ein und verursachte uns ungeheure Verluste. Der Beschießung folgte ein schwerer
Jnfanterieangriff, vor dem die unseren weichen mußten. Wie General Plumer berichtet,
wurde die rechte Flanke einer Brigade um 10 Uhr 15 Minuten gebrochen, dann das
Zentrum, dann ein Teil der linken bei der südlich anschließenden Brigade. Um 12 Uhr
25 Min. wurde das Zentrum einer Brigade zur Linken durchbrochen, ihr rechtes Bataillon,
die 1. Suffolks, hielten aus und wurden anscheinend umzingelt und überwältigt. Um 3 Uhr
30 Minuten nachmittags unternahmen wir einen Gegenangriff, der bis Frezenberg kam,