Die Kämpfe in Lothringen, in den Vogesen und im Sundgau 135
Da — das kurze Kommando für die Sturmkolonne: Gewehre entladen, Seitengewehr
pflanzt auf, das Bajonett fällt. Dann — Ruhe! Abgeschnitten war auf diesem Teil
alles Feuer, nur gegen die französische Artillerie donnerte es immerfort weiter. Marsch
Marsch — Hurra! Linie um Linie, Schar um Schar löste sich aus den Gräben her
aus los gegen die feindlichen Stellungen. Einen Hagel von Schrapnells streute die
französische Batterie auf die Stürmenden, rasend flog das Basale — ein furchtbares
Schnellfeuer. Aber so viele niedersanken, so weite Lücken das Feuer riß, wie eine un
haltbare Woge brauste der deutsche Sturm aus die Kuppe und darüber hin. Immer
neue Stürmerreihen lösten sich aus der deutschen Randstellung, und nach atemberauben
den Augenblicken begann an den französischen Stellungen ein rasches Gewoge und
Kämpfen. Nur kurze Zeit dauerte das. Dann schallte das Hurra von neuem, und
über die erste Linie stürmten die Sieger gegen die zweite. Von vorne und von den
Seiten drangen die Stürmer ein, und in kurzer Zeit brauste das Kriegshurra aus
Tausenden von Kehlen über die Kuppe.
Der Hartmannsweilerkops war wieder in deutschen Händen bis zur Senke. In einem
Stoß war der Sturm durchgerast. Trümmer der Verteidiger, Tote und Verwundete,
das war, was von den Franzosen verblieb, Wehklagen, Stöhnen und Jammern. Viele,
Freund und Feind, lagen stille und ruhig, sie hatten ausgestritten. Blutrot versank die
Sonne, und goldene Purpurwölklein zogen am Himmel still als glänzende Lichtgebilde
ihre Bahn.
Während die Ambulanzen die Verwundeten bargen, gingen die bereit gehaltenen
frischen Truppen in die neuen Linien vor. Starke Deckungstruppen hielten Wache und
sicherten die Arbeit, Mannschaften und Pioniere bauten sich sofort fest ein.
Als der neue Tag anbrach, war die deutsche Stellung stark armiert und sicher, und
der französische Angriff war ohne Erfolg. Das war der zweite Sturm auf die Kuppe
des Hartmannsweilerkopfes.
Die Vogesenwacht der deutschen Schneeschuhtruppe
Don Eugen Kalkschmidt
Blendend weiß leuchtet die Schneehaube des kahlen Vogesenberges im Licht der auf
gehenden Sonne. Große Schneeselder glänzen auf, wie wenn sie vergletschert wären.
Dort, wo der Nadelwald beginnt, stehen die Bäume unter ihrer Schneelast in einem fast
rosigen Licht. Ueber der weiten Rheinebene liegt ein dichter Nebelschleier. Die bewal
deten Vorberge schwimmen, Halbinseln gleich, in diesem Nebelmeer, und jenseits steigt
wuchtig breit die blaue Wand des Schwarzwaldes auf. Im Süden — in langer Kette
— die Schweizer Alpen, zerklüftet, zackig zerrissen, unendlich menschenfern wie ein Traum
land und auch unwirklich wie ein Traum, denn die Morgensonne taucht alles in ein
zartes Licht, das alle Farben in sich trägt und keine einzige herrschen läßt.
Der Wintermorgen, der allgemach in die Dämmerung der Täler niedersteigt, hat einen
kalten Atem. Der französische Wachtposten aus der runden Kuppe des Schneeberges hüllt
sich zusammenschauernd fester in seinen langen Mantel. Er tritt ungeduldig von einem
Bein aufs andere, der kleine Soldat, er reibt die Hände, er schlägt die Arme zusammen,
aber er friert doch, da ist nichts zu machen. Seufzend fetzt er sich in Trab, den aus
getretenen Weg im Halbkreise herum und wieder zurück. Kommt denn die Ablösung
nicht bald? Will man ihn aus diesem gottverdammten Berg jämmerlich erfrieren lassen?
Ihn, den die jungen Mädchen von Arles den schönen Maurice nennen? Oh, wenn ihn
seine reizende kleine Freundin hier sehen könnte, mit roter Nase, triefenden Augen, er
frorenen Fingern und steifen Beinen! Ein Hundeleben ist dieser Krieg. Und an allem
sind die Deutschen schuld, diese Barbaren da drüben — der schöne Moritz stockt plötzlich