Volltext: Der Völkerkrieg Band 3 (3 / 1915)

Der große Vorstoß der Oesterreicher nach Serbien 19 
äußerst vorteilhaften Verteidigungslinie, gesammelt; hier fand 
auf einer Front von mehr als 100 Kilometer vom 3. bis 8. Dezember 1914 ein er 
bittertes Ringen statt, das damit endete, daß die ermüdeten, schlecht verpflegten und nur 
mangelhaft mit Munition versehenen österreichisch-ungarischen Truppen zurückgehen 
mußten, zahlreiche Gefangene und ein großes Kriegsmaterial verloren und zur Wieder 
aufgabe der eroberten serbischen Gebiete und schließlich auch Belgrads genötigt waren. 
Charakteristisch ist die Schilderung einer „Schweizerin" in der „Neuen Zürcher Zei 
tung": „Die Eroberung Belgrads war ein Schlag für die Serben, den sie nicht ver 
tragen konnten. Ihr ganzer Nationalstolz bäumte sich auf unter diesem Hiebe, und da 
ereignete sich das Außerordentliche: Der alte König Peter, obschon gebeugt durch hohes 
Alter und Krankheit, begab sich in die vordersten Kampfeslinien, Regiment um Re 
giment aufsuchend, in die Schanzen hinuntersteigend, wo die Soldaten im Kot vergraben 
lagen, da das Gewehr eines Gefallenen ergreifend, um selbst auf den Feind zu zielen, 
dort persönlich eine Kanone abfeuernd. „Meine Söhne," so sagte er zu den Soldaten, 
„ihr habt geschworen, euern König und euer Vaterland zu verteidigen. Ich entbinde euch 
der ersten Hälfte eueres Schwures, nur der zweiten sollt ihr euch erinnern. Ich bin hier 
hergekommen, um gemeinsam mit euch das Vaterland zu verteidigen, um mein Leben 
mit dem euern auszusetzen. Aber wer von euch sich nicht als der Sohn dieses Landes fühlt, 
der soll das Gewehr wegwerfen und nach Hause gehen! Ich garantiere, daß ihm nichts 
geschehen wird, denn ihr seid alle müde und habt genug geleistet..Unnötig zu sagen, 
daß kein einziger Kämpfer seinen Posten verließ; ein jeder faßte noch krampfhafter sein 
Gewehr, und das Ergebnis war, daß die Serben ihr Land zurückeroberten." 
Rasch nacheinander erfolgte nun die Aufgabe aller Eroberungen der österreichisch 
ungarischen Truppen. Bis zum 13. Dezember 1914 währte der Widerstand der Oester 
reicher in Belgrad, das bereits in dem bisherigen Festungskommandanten von Sarajevo, 
Generalmajor OskarHaala, einen österreichisch-ungarischen Stadtkommandanten 
erhalten hatte und mit einem Eisenbahnnetz umgeben worden war, um schwere Artillerie 
heranzuführen. Am 14. Dezember abends erreichte die dritte serbische Armee Banovobrde, 
fünf Kilometer südwestlich von Belgrad, die zweite Armee besetzte die Höhen von 
Torlak und Erinobrde, die den Süden der Stadt und den Lauf der Donau beherrschen. 
Die Oesterreicher begannen nun sich vollends zurückzuziehen, indem sie Brücken und 
Schisse auf der Save und der Donau benützten. Am 15. Dezember waren die letzten 
Truppenteile wieder über die Donau zurückgegangen, worauf König Peter mit den 
Prinzen Georg und Alexander an der Spitze seiner Truppen aufs neue in Belgrad einzog. 
Die „Schweizerin" schreibt darüber in der „Neuen Zürcher Zeitung": „In der Ge 
schichte des serbisch-österreichischen Krieges wird es kaum eine ergreifendere Episode 
geben, als der Einzug des Königs Peter in seine wiedereroberte Hauptstadt war. Zuerst 
begab sich der greise Monarch nach der Kathedrale. Das Portal war geschlossen, der 
König aber wartete geduldig, bis der Schlüssel des Gotteshauses gebracht wurde. In der 
Kirche selbst, während der wenigen Minuten, die der König dort verbrachte, herrschte 
eine erhabene, feierliche Stille, die nur mitunter durch das Schluchzen der vor Rührung 
tief erschütterten Menge unterbrochen wurde. Kurze Zeit hernach fuhr König Peter im 
Triumph nach dem Schlosse, wo während der dreizehn Tage der österreichischen Okku 
pation General v. Frank residiert hatte. Das Haupttor des Hofgartens war weit ge 
öffnet, das königliche Automobil sauste hindurch, über die österreichische Flagge hinweg, 
die man vom Schlosse heruntergerissen hatte, um sie unter dem Wagen des serbischen 
Herrschers auszubreiten." 
Einen anschaulichen Bericht über die letzten Operationen der österreichisch-ungarischen 
Truppen in Serbien gibt der Feldpostbrief eines Zahnarztes aus Tegel, der als Ober
	        
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