Volltext: Der Völkerkrieg Band 3 (3 / 1915)

178 Die Türkei und der Heilige Krieg bis zu den Dardanellen-Kämpfen 
Dazu wird am 5. November 1914 von amtlichertürkischer Seite mitgeteilt, 
daß entgegen allerlei Gerüchten und tendenziösen Nachrichten von einer nachgiebigen 
Haltung der türkischen Diplomatie in ihren letzten Verhandlungen mit Rußland nicht die 
Rede sein könne. Die Pforte habe Rußland erklärt, es sei selbst schuld daran, daß seine 
Schiffe in den Grund gebohrt und Festungen im Schwarzen Meer beschossen wurden, 
und habe die Bestrafung des Kommandanten der russischen Flotte als Genugtuung ver 
langt. Daraufhin seien die Beziehungen abgebrochen worden. 
2. November 1914. 
Die BotschafterRußlands,EnglandsundFrankreichsbeider Türkei 
verließen am 1. November mit dem Personal Konstantinopel. Nach dem „Jkdam" hat 
die Note, in welcher der englische Botschafter seine Pässe verlangte, folgenden Wortlaut: 
„Obwohl zwischen der türkischen und der englischen Regierung wegen des russisch- 
türkischen Zwischenfalls im Schwarzen Meer keine politische Feindschaft besteht, habe ich 
doch mit Rücksicht auf die empfindliche politische Lage von meiner Regierung den Auftrag 
erhalten, meine Pässe zu verlangen." 
3. November. 
Japan und Montenegro haben sichimKriegszustandmitderTürkei 
erklärt. Der Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen der Türkei und Serbien 
ist auf Grund einer der Pforte von der serbischen Gesandtschaft überreichten Note erfolgt. 
Die türkische Regierung hat nunmehr, den Ereignissen Rechnung tragend, die Bot 
schafter in P e t e r s b u rg, P a r i s und London und ihren Ges andten in Belgrad abberufen. 
Der Sultan, Muhammed Reschad Chan V., feiert seinen 70. Geburtstag. 
Am 3. November 1844 ist Muhammed Reschad Chan V. in Konstantinopel geboren als der 
dritte Sohn des Großsultans Abdul-Medschid-Chan (2. Mai 1822 bis 25. Juni 1861). Seine 
beiden älteren Brüder sind ihm auf dem Thron des Sultans und Kalifen vorangegangen, erst 
Murad V., der 1876 für wahnsinnig erklärt wurde, dann Abdul-Hamid-Chan, der am 27. April 
1909 des Thrones entsetzt wurde. Muhammed Reschad, dessen lange Titelreihe mit den dreien 
„Diener und Herr der Städte Mekka, Medina und Jerusalem" beginnt, ist der 36. Sultan und 
der erste konstitutionelle Herrscher der Osmanen. Er hat zwei Söhne, Prinz Zia Eddin Effendi 
(geb. 1873) und Prinz Omer Hilmi Effendi (geb. 1888). Der Thronfolger ist jedoch nach dem 
osmanischen Seniorrat des Sultans Vetter Jussuf Jzzeddin Effendi (geb. 1857). 
Sultan Muhammed ist ein weiser, milder und gerechter Charakter; sein Hauptverdienst ist es, 
daß er die besten Männer der Türkei zur Regierung berief und sich durch alle Umtriebe nicht von 
dem einmal als richtig erkannten Wege ablenken ließ. Er stand stets treu zu Deutschland und hat 
bei den letzten Ereignissen bewiesen, daß er bei aller Bescheidenheit des Wesens doch einen weit 
ausschauenden Blick und großes diplomatisches Geschick besitzt. 
Die Demission der Minister Oskan, Mahmud und El-Bostani wird offiziell 
bekannt gegeben. Das Ministerium der öffentlichen Arbeiten übernimmt provisorisch 
D s ch e m a l, die Post Unterrichtsminister SchükriBei. 
5. November. 
Eine Sonderausgabe der „London Gazette" enthält die förmliche Erklärung, daß 
zwischen England und der T ü r k e i der K r i e g s z u st a n d bestehe. 
England gibt amtlich bekannt, daß es die Insel Zypern annektiert hat. Mit der 
Annexion von Zypern haben die Engländer auch die Vertretung des Scheich-ül-Jslam 
und des Schiedsgerichtshofes daselbst aufgehoben, was große Erregung hervorrief. 
9. November. 
Auch diebelgischeRegierunghat nunmehr dem bei ihr beglaubigten türkischen 
Gesandten die Pässe übermittelt und den KriegszustandmitderTürkei erklärt. 
Der belgische Gesandte in Konstantinopel erhielt seine Pässe zugestellt. 
Der Bruder des Großwesiers, Prinz Abbas Halim Pascha, ist zum Minister 
der öffentlichen Arbeiten ernannt worden.
	        
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