Volltext: Der Völkerkrieg Band 3 (3 / 1915)

Die Türkei und der Heilige Krieg 
bis zu den Dardanellen-Kämpfen 
Bon Ende August 1914 bis Ende Februar 1915 
Deutschland und der Islam 
Von Dr. Friedrich Schräder, Konstantinopel. 
Immer mehr trat im Herbst 1914 die Tatsache hervor, daß der Islam alles vom 
deutschen Siege erhosft. Es gibt mohammedanische Schriftgelehrte, die sich anheischig 
machten, aus dem Koran nachzuweisen, daß nicht nur die Sympathie für Deutschland, 
sondern auch die Unterstützung der deutschen Sache durch die Tat eine religiöse Pflicht 
der Mohammedaner sei. Denn die Jslamwelt ist von der Ueberzeugung durchdrungen, 
daß das Deutsche Reich und der deutsche Kaiser, der einst in Damaskus am Grabe des 
Salaeddins ein die ganze mohammedanische Welt begeisterndes Wort gesprochen hat, 
seine Freundschaftsbeteuerungen auch in die Tat umsetzen wird. Während so die Be 
geisterung für Deutschland den höchsten Grad erreicht hat, ist der Haß gegen England, 
Frankreich und Rußland in steter Zunahme begriffen. Der Abgeordnete für Smyrna, 
Obeidullah Effendi, war mit seiner mächtigen Rednergabe der hervorragendste Wort 
führer dieser Richtung in den öffentlichen Versammlungen im Herzen Stambuls. Während 
die Regierung noch bis zum Kriegsausbruch ängstlich einer zu offenen Meinungs 
äußerung in der Presse vorbeugte, ließen die Versammlungen bereits deutlich erkennen, 
daß in der Türkei nur noch der Gedanke herrscht, Seite an Seite mit den Zentralmächten 
Rache zu nehmen an den Feinden des Islams. Aus der Bühne selbst wird die deutsche 
Armee gefeiert, und Männer wie nicht minder leidenschaftlich die Frauen jubeln den 
Darstellern zu, die in deutschen Uniformen aus der Bühne erscheinen. 
Konstantinopel ist noch ebenso wie früher und vielleicht mehr als früher der Mittel 
punkt der mohammedanischen Welt. Bei den in Konstantinopel sich aufhaltenden Moham 
medanern aus Mittelasien, Persien, Indien und Aegypten machte sich dieselbe Strömung 
geltend. Mit atemloser Spannung folgte man den Fortschritten der deutschen Waffen; 
jeder Mohammedaner, der von Konstantinopel in seine Heimat zurückkehrte — was aller 
dings unter den damaligen Verhältnissen sehr beschwerlich war —wurde zu einem Herold 
der deutschen Sache und verkündete, daß der Islam zugleich mit den Deutschen siegen 
werde. Die Konstantinopeler Presse beeilte sich, alle Gerüchte von Bewegungen in der 
mohammedanischen Welt außerhalb der türkischen Grenzen wiederzugeben. Leider war in 
vielen Fällen der Wunsch der Vater des Gedankens. Daher sind die Nachrichten über 
aufständische Bewegungen in Persien, Afghanistan und Aegypten nicht ganz ohne Miß 
trauen aufzunehmen. Denn obgleich die öffentliche Meinung in der mohammedanischen 
Welt voll für Deutschland eintritt, üben die von Engländern und Russen verbreiteten 
Lügennachrichten über ihre „Siege" doch auch ihre Wirkung aus. Erst nachdem die Türkei 
zur Aktion übergegangen war, regte es sich auch in den nichttürkischen Ländern des 
Islams. Vor allem scheint sich in A e g h p t e n eine das türkische Vorgehen unterstützende 
Bewegung bemerkbar zu machen. Vorläufig sitzt dort England allerdings noch im Sattel. 
Ein Beweis dafür ist, daß England in Kairo mohammedanische Ulemas finden konnte 
zur Ausstellung eines Fetwa, das die religiöse Pflicht der „Hadoch", der Pilgerfahrt 
nach Mekka, für die Mohammedaner aufhebt. Noch herrscht in Aegypten die Furcht vor 
Englands Macht. Bevor nicht Englands Schwächen vor den mohammedanischen Augen 
vollständig entblößt sind, wird den dortigen Mohammedanern auch nicht der Mut zu
	        
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