Episoden von den russischen Kriegsschauplätzen 149
Minuten Verspätung hatte. Man hat „echt österreichisch" gesagt, wenn ein Brief auf
der Post verloren ging. Immer und überall hat man „echt österreichisch" gesagt, wenn
es sich um eine Laxheit, eine Schlamperei oder sonst eine Rückständigkeit handelte. Und
jetzt sagen Sie es so! Denken Sie nur!" Der Deutsche sah mich immer noch verwundert
an. Er konnte den Jubel, der in mir war, nicht ganz begreifen. Kein Deutscher wird
es können, denn er weiß nicht und wird es nie verstehen, wie grauenhaft wir alle in
den Jahren des Friedens unter unserem eigenen Kleinmut gelitten haben. Aber mit
einer Ruhe und Bestimmtheit, die keinen Einspruch aufkommen ließ, versicherte er:
„Man wird „echt österreichisch" künftig nur in diesem Sinne sagen!"
Spione bei der Arbeit
Dem „Pesti Hirlap" schreibt ein Offizier: „Drei Tage kämpfen wir. Die Russen
waren tausend Schritte von uns eingegraben; unsere Stellung aber war die bessere. Am
Abend wurde das Feuer eingestellt, und wir fingen an im Graben zu schlafen. Drei
Schritte von mir lag der Fähnrich. Der hebt plötzlich seinen Kops, blickt über den Erd-
wall, dann kriecht er langsam zurück zum Wald. Der Morgen graut, da hat er ihn
endlich erreicht. Rechts von ihm rührt sich etwas: eine graue, lange Gestalt im Kaftan.
Sie kehrt ihm den Rücken. Und aus der weiten Rocktasche fängt sie an, bedeutsam ein
Papier herauszuziehen und dann zu zeichnen. Lautlos löst der Fähnrich seinen Hosen
gurt, nimmt die Schnalle in den Mund und kriecht auf die Gestalt zu. Jetzt ist er auf
Armlänge bei ihr. Er legt den Gurt zu einer Schlinge, wirst diese der Gestalt um den
Hals. Ein Ruck, sie liegt zu Boden; der Fähnrich hockt aus ihr und würgt ihren Hals
mit beiden Händen. Es dämmert immer noch, wie er zurückkommt. Er ist totenblaß;
ich fürchte, er sei krank. „Ich habe einen Spion erwürgt," sagte er mit brechender
Stimme. Später bittet er mich, mitzukommen, um seinen Gürtel zu holen. Noch
immer ist der am Hälse des Juden. Aber wie wir ihn herunterreißen wollen,
kommt der lange Judenbart mit, und als wir den Toten aus seinem Kaftan
schälen, da entpuppt sich der schmachtlockige Semite als ein russischer Stabsoffizier.
Der Fähnrich erhielt die Tapferkeitsmedaille."
Aus den Kämpfen in der Bukowina
Ein Held von zwölfJahren
Als die österreichisch-ungarischen Truppen in die vom Feinde befreite Landeshaupt
stadt Czernowitz wieder einzogen, marschierte, wie im „Wiener Tagblatt" erzählt wird,
mitten unter den Truppen ein zwölfjähriger Huzulenknabe, mit rauhem Bauernmantel,
roter Pluderhose und schweren Bundschuhen bekleidet, im Marschtakt mit. Der kleine
Huzule war Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit. Man hielt ihn zuerst für ein
Soldatenkind, das seinem Vater in den Krieg gefolgt war und jubelte ihm schon in
dieser Meinung zu. Als sich aber herausstellte, daß der kleine unscheinbare Junge dem
Vaterlande wertvolle Dienste geleistet hatte, wollte der Jubel kein Ende nehmen. Hier
die Geschichte des kleinen Helden.
Ivan Murciu, der Sohn eines Forstwächters in Franztal beobachtete in der Nähe
des väterlichen Reviers eine russische Patrouille beim Transport eines Zuges von
60 gefangenen Oesterreichern. Zitternd vor Erregung folgte der Knabe dem Transport
und sah, daß die Russen die Gefangenen in eine Scheune sperrten, dessen Besitzer sie
ebenfalls gefangennahmen. Während nun der Unteroffizier und die Kosaken, bis auf
einen einzigen Mann, der als Wache zurückblieb, sich entfernten, um die Dorsschenke zu
suchen, faßte Ivan seinen Plan, die Gefangenen zu befreien. Er trat mit dem Hut in
der Hand, an den Kosaken heran und sagte: „Möchten Sie auch einen guten und billigen
Schnaps trinken, Herr Soldat?" Dieser bejahte lachend, woraus der Schlaue ihm den