Volltext: Der Völkerkrieg Band 3 (3 / 1915)

146 Die russischen Kriegsschauplätze bis zur Winterschlacht in Masuren 
Im Halbkreis stehen sie herum — plötzlich entsteht ein Gemurmel — ein Entsetzen scheint 
sie zu packen, diese tapferen Kerls, die vor keiner Uebermacht zurückschrecken. Sie zau 
dern; dann tritt einer hervor und meldet: „Der russische Soldat ist ein Mädchen!" 
Wie wir später ermittelten, war der Tote die Braut eines russischen Offiziers, die 
den ganzen Feldzug Schulter an Schulter mit ihm gestanden hatte und von einem Brust 
schuß getroffen, niedersank. Er wurde gefangen genommen. Ich habe das Mädchen am 
gleichen Tage noch begraben lassen. Sonst müssen tote Feinde liegen bleiben, bis wir 
Zeit dazu finden, ihnen die Gräber zu graben und ein Kreuz darauf zu errichten." 
Wie ein Deutscher 30 Russen „umzingelte" 
Von Schlossermeister Georg Goralczyk aus Beuchen, Brandmeister der dortigen frei 
willigen städtischen Feuerwehr, weiß der „Oberschlesische Anzeiger" ein Stücklein zu 
berichten. Goralczyk stand als Gefreiter bei einer Landsturm-Maschinengewehr-Abtei 
lung den Russen gegenüber und machte kräftig „Dampf" auf diefe. In einem Treffen 
wurde die Abteilung hart von den Rüsten bedrängt, weshalb sie sich zurückziehen mußte. 
Goralczyk nahm das schwere Maschinengewehr aus die Schulter und trug es zurück in 
das nächste Dorf. In einer Scheune fand er Unterkunft. Er legte den Tornister ab 
und streckte sich zur wohlverdienten Ruhe nieder. Plötzlich wurde er von einer Anzahl 
Russen überrascht, die ihn gefangennehmen wollte. Goralczyk legte das Seitengewehr 
sowie den Revolver ab und begann, da er gut polnisch spricht, sich mit den Russen zu 
unterhalten. Diese hatten sämtlich mächtigen Hunger. Goralczyk holte ein Stück echt 
oberschlesifchen Speck aus seinem Tornister hervor, nebst einem Stück Brot, überließ 
beides den Russen und erzählte, daß bei den Deutschen jeder Mann solchen schönen Speck 
nebst Brot neben der warmen Kost erhalte, obendrein noch Schnaps und reichliche 
Löhnung. Es gelang dem schlauen Wehrmann dadurch, die Russen zu überreden, mit 
ihm in das Lager der Deutschen zu gehen, wo auch sie als Gefangene diefe vortreffliche 
Verpflegung finden würden. Sie warteten die Abenddämmerung ab und marschierten, 
hübsch ordnungsmäßig, in zwei Glieder rangiert, 30 Mann hoch, unter dem Kommando 
Goralczyks zu den Deutschen. Vor dem Quartier des Feldwebels ließ Goralczyk die Ge 
fangenen einschwenken und erstattete dem Vorgesetzten Bericht. Der Feldwebel wollte 
es anfänglich nicht glauben, daß Goralczyk allein 30 Russen gefangen habe und fragte 
chn: „Wie haben Sie das angestellt?" worauf Goralczyk lachend erwiderte: „Ich habe 
sie umzingelt!" — Die Schlauheit Goralczyks brachte ihm das Eiserne Kreuz und die 
Beförderung zum Unteroffizier ein." 
Heldentod eines deutschen Husarenoffiziers 
Am 30. November 1914 war eine Offizierspatrouille unter Führung des Leutnants 
v. Griesheim nach Bielsk zu Zwecken der Aufllärung ausgesandt worden. Die Patrouille, 
bestehend aus dem Offizier, einem Unteroffizier und 14 Mann, wurde in der Gegend 
von Lelice plötzlich von 40 russischen Husaren umzingelt und beschossen. Gleich zu Beginn 
des Scharmützels fiel das Pferd des Leutnants v. Griesheim. Die Patrouille kehrte ohne 
ihn und vier Husaren zu ihrer Schwadron zurück. Zu Fuß lief der Leutnant über 
gefrorene Aecker und das brechende Eis eines Grabens in ein nahegelegenes, einzel 
stehendes Haus. Der befehlführende russische Offizier sandte den deutschfprechenden 
Besitzer des Hauses an Leutnant v. Griesheim, mit der Aufforderung sich zu ergeben. 
Der lehnte das ab. Die Aufforderung wurde wiederholt und damit begründet, daß jeder 
Widerstand des einzelnen gegen eine Truppe unmöglich sei. Leutnant v. Griesheim 
zählte die Patronen in feinem Revolver und ließ dem russischen Offizier sagen: „Ein 
deutscher Offizier ergibt sich nicht; ich habe noch fünf Patronen; die reichen für euch und 
mich." Es entspann sich darauf ein kurzes Gefecht, in dem Leutnant v. Griesheim zwei
	        
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