D i e Kämpfe in Ostpreußen
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von Goldap—Darkehmenbis zum nordöstlichen Rande der Rominier Heide
durchzubrechen, um sich in den Besitz der Straße Stallupöne n—G umbinnenzu
setzen. Um die Jahreswende gedachten die Russen sich in den altpreußischen Stamm
landen häuslich niederzulassen und trafen alle Vorbereitungen zu einem energischen Vor
marsch gegen Königsberg. Von Süden gegen die masurischen Seen vorstoßend, sollte der
Norden der Provinz Ostpreußen von Pillkallen aus in der Richtung auf Tilsit von den
deutschen Truppen gesäubert werden. Die russischen Streitkräste waren den für die Ver
teidigung bestimmten deutschen Heeresteilen weit überlegen. Wo es aber zu Zusammen
stößen kam, gelang es den oft schwachen deutschen Abteilungen, besonders in nächtlichen
Sturmangriffen, die an Zahl weit überlegenen Russen aus vorzüglich gesicherten Stel
lungen hinauszuwerfen. In anschaulicher Weise schildert Paul Lindenberg im „Berliner
Tageblatt" eine Episode aus diesen Kämpfen, die Erstürmung des Wilhelms
berges: „Um die elfte Vormittagsstunde des 13. November 1914 setzte unser Angriff
mit voller Stärke ein. Es galt, den in der Richtung von Goldap—Darkehmen mit An
lehnung an die Romintener Heide vorrückenden Feind zurückzuwerfen, um ihm ein
weiteres Vordringen nach Gumbinnen—Insterburg gründlich zu verleiden....
Zwanzig Meter vor unserem Dorf hielt Landwehr mit einem Maschinengewehr, das
durch eine eiserne Platte eine Art Brustwehr erhalten hatte, einen Schützengraben besetzt,
weiter nach vorn ging in langen Linien ein Bataillon des Jnsterburger Regiments vor,
von rechts näherte sich das Rastenburger Grenadierregiment. Den Mittelpunkt der feind
lichen Stellung bildete gerade vor uns der etwa 1500 Meter entfernte, hier und da mit
Tannengehölz bewachsene Wilhelmsberg sowie einige nahe Dörfer, die von unserer
schweren Artillerie unter Feuer gehalten wurden. Die Batterien dieser schweren Artillerie
standen an einer Mühle hinter unserem Dörfchen, etwas vor ihnen, standen zwei Bat
terien Feldartillerie, die ihre Schrapnells über die Russen ausstreuten....
Fortwährend feuernd drang unsere Infanterie langsam vor, unterstützt von Maschinen
gewehren, deren Knack-Knack-Knack-Knack sich mit den rollenden Salven der Gewehre
und dem Dröhnen der Granaten vermischte. Die Russen hielten hartnäckig stand und er-
widerten das Feuer aufs umfassendste; doch unsere schwere Artillerie machte wieder ein
mal gute Arbeit, das feindliche Feuer wurde merklich schwächer. Wir verließen unseren
gedeckten Platz, traten hinaus auf die Chaussee und schritten sie ein Stückchen entlang.
Unsere Infanterie war tüchtig vorwärts gekommen, auch die Landwehr war unterdessen
eingetroffen. Eine Kompagnie Pioniere eilte mit Gewehren und Spaten im Marsch-
Marsch über das nahe Feld, mehrere Maschinengewehre wurden von den Mannschaften
hastig hinterher getragen; andere schleppten die Munition in Blechkästen. Die Anhöhe
war erreicht, nach fünf Minuten ging das Knack-Knack nach der rechten Seite hin los, wo
sich Feinde gezeigt hatten.
Der Brigadeadjutant der schweren Artillerie sprengte heran: „Allgemeines Vorgehen!"
rief er mit heller Stimme. Wie durch Zauber wurde es plötzlich lebhaft in dem stillen
Dörfchen. Die Reservekompagnie ordnete sich, Sanitätsmannschaften tauchten mit ihren
Wagen auf, Offiziere mit einzelnen zur Verteidigung des Dorfes und der Artillerie be
stimmt gewesenen Zügen wurden in Gärten sichtbar, die Maschinengewehrabteilung
hielt sich zur Abfahrt bereit, alles hatte sich bei dem schlimmen Feuer verborgen gehalten.
Und nun der Ruf: „Der Wilhelmsberg ist genommen! Königsfelde auch!" Niemand
wußte, wer die frohe Nachricht gebracht hatte, von Mund zu Mund flog sie, ließ die
Herzen höher schlagen und die Augen aufflammen: das war ersehnte Botschaft!
Patrouillen jagen heran, von den rückwärts befindlichen Stellungen der Artillerie
kommend, Meldereiter folgen, die schwarz-weißen Fähnchen flattern in der Luft, dann
ein kleiner Trupp höherer Offiziere, die sich aus den Sätteln schwingen. Es ist der Stab,