Volltext: Der Völkerkrieg Band 3 (3 / 1915)

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Die Kämpfe in d er Bukowina 
daher über den Pruth bei Hlinitza westlich von Czernowitz und zogen sodann vom Norden 
am Mittwoch den 17. Februar um die sechste Abendstunde in die Stadt ein. Die Russen, 
die von unserem Manöver Kunde erhielten, flüchteten in aller Eile von Zuczka ostwärts 
gegen Nowosielica, an der bukowinisch-russischen Grenze und nahmen dort ihre zu Be 
ginn des Krieges bezogenen Stellungen wieder ein. Nach zwölfwöchiger fremdländischer 
Herrschaft wurde die stets kaisertreue Stadt Czernowitz so zum zweitenmal vom russischen 
Joche durch unsere Truppen erlöst." 
Schon früher, nach der Einnahme von Suczawa und Radautz, hatten die österreichisch- 
ungarischen Truppen auch das Serethtal und damit die Stadt Sereth besetzt. Der 
Einzug in Radautz geschah so schnell und überraschend, daß der dort sich aufhaltende 
russische Generalslab in Gefangenschaft geriet. Nach einer Meldung der „Az Est" beging 
der kommandierende General Selbstmord. Im weiteren Vordringen nördlich des Pruth- 
slusses in der Richtung auf den Dnjestr wurden die Orte Kotzman, Bojan und 
Sadagoza in der nördlichen Bukowina besetzt. Am 20. Februar 1915 war die ganze 
Bukowina vom Feinde befreit. 
Die Russenherrschaft in der Bukowina 
Furchtbar lastete die Herrschaft der russischen „Befreier" auf der bedauernswerten 
Bukowina. Ihre Bewohner waren den Plünderungen und Drangsalierungen der rus 
sischen Soldaten, vor allem der Kosaken, schutzlos preisgegeben. Auch Rumänen wie 
Ruthenen wurden in der brutalsten Weise behandelt. Da sich der rumänische Erzbischof 
und die rumänische Geistlichkeit der gewaltsamen Verschleppung durch die Flucht entzogen 
hatten, kühlten die Russen ihren Mut an den reichen Pfründen und Kirchengütern der 
rumänischen Kirche. Die rumänischen Bauern aber wurden von den Kosaken ausgeraubt 
wie die Juden und flohen in Scharen über die rumänische Grenze, auch auf der Flucht 
noch von den Plünderungen und Verfolgungen der russischen Horden bedroht. 
Raub, Brandlegung und zügellose Sittenlosigkeit kennzeichnen die Verwaltung der 
Russen in der Bukowina. Trotzdem die Einwohner überall den ihnen auferlegten Ver 
pflichtungen, keine Angriffe auf die Soldaten zu unternehmen und Ruhe und Ordnung 
ausrecht zu erhalten, ängstlich nachkamen, verübten die russischen Truppen doch ungezählte 
Grausamkeiten und Roheiten. In Czernowitz, das am 27. November 1914 von 
zwei Kosakensotnien wieder besetzt worden war, dauerten die Plünderungen ununter 
brochen bis zum 1. Dezember; dann erschien der frühere Gouverneur Evreinow mit 
seinen Sekretären, den berüchtigten Brüdern Gerowski, und übernahm aufs neue die 
Regierung, verlangte von der Bevölkerung eine Kontribution von 50 000 Rubel und ließ 
zahlreiche Verhaftungen vornehmen. Bis Ende Januar 1915 befanden sich nach Mit 
teilungen eines Augenzeugen in der „Neuen Freien Presse" bereits 174 Bürger in Haft. 
Viele staatliche Gebäude fielen dem Vandalismus des Feindes zum Opfer, alle ärari 
schen Magazine, das Militärkasino und Generalkommando wurden vollständig aus 
geplündert und die geraubten Sachen weggeschafft, die Wartesäle des Hauptbahnhofs 
wurden zu Pferdeställen eingerichtet, die Bibliothek, das naturwissenschaftliche und physi 
kalische Kabinett vollständig verwüstet. Noch zur Zeit der Russenherrschaft sind in Czer 
nowitz allein 142 Protokolle über Raub, schwere Verletzungen und Schändung auf 
genommen worden, die, wie Curt v. Reden in einem zusammenfassenden Bericht an die 
„Frankfurter Zeitung" erzählt, sämtlich kein Eingreifen der russischen Behörde bewirkten. 
Auf Beschwerde wurde erklärt, man solle froh sein, daß überhaupt Protokolle aufgenom 
men werden. „In der Stadt," fährt Curt v. Reden fort zu erzählen, „waren das Juden 
viertel, die Offizierswohnungen und die Villenvorstadt, in der viele Beamte wohnten, 
die beliebtesten Gegenden für schwere Exzesse. In Sadagoza und der Vorstadt nördlich
	        
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