Volltext: Kommentar zu den deutschen Dokumenten zum Kriegsausbruch (5 / 1920)

Dieses Ereignis wartete die russische Regierung jedoch keines¬ 
wegs ab, sondern schritt ungesäumt zur Mobilisierung von vier 
Armeebezirken gegen Österreich-Ungarn. Dem englischen Bot¬ 
schafter gegenüber aber stellte Sasonow am 29. Juli das Verlangen 
nach einer nachträglichen Feststellung oder Erklärung, um den 
scharfen Ton des Ultimatums herabzustimmen (Blaubuch Nr. 78). 
Er forderte also nunmehr ein Zurückweichen Österreich-Ungarns 
vor der russischen Drohung. Szarpary gegenüber behauptete er 
jedoch, Wien lehne jeden weiteren Gedankenaustausch ab. Als 
dieser Irrtum ihm als solcher nachgewiesen und er an die bereits 
erhaltenen Versprechungen erinnert wurde, erklärte er endlich, 
in territorialer Hinsicht habe er sich überzeugen lassen, aber was 
die serbische Souveränität anbelange, müsse er an dem Stand¬ 
punkt festhalten, daß die Aufzwingung der österreichisch¬ 
ungarischen Bedingungen für Serbien ein Vasallentum bedeute 
(Rotbuch 1919, III, Nr. 19). Ebenso sagte er zu Pourtales, „Ru߬ 
lands vitale Interessen verlangten nicht nur Schonung der terri¬ 
torialen Integrität Serbiens, sondern auch, daß Serbien nicht durch 
Annahme der seine Souveränitätsrechte antastenden österreichischen 
Forderungen zum Vasallenstaat Österreichs herabsinke. Serbien 
dürfe keine Buchara werden.“ (Weißbuch Nr. 412.) Dem eng¬ 
lischen und französischen Botschafter erklärte er unter Bezugnahme 
auf dies Gespräch, auch die deutsche Bürgschaft, daß Österreich- 
Ungarn die serbische Integrität respektieren werde, genüge ihm 
nicht (Blaubuch Nr. 97). Als „äußerstes Maß des Entgegen¬ 
kommens“ stellte der Minister am 30. Juli die sogenannte Sasonow- 
formel (Weißbuch Nr. 421, Orangebuch Nr. 60) auf, in der von 
Österreich-Ungarn die Aufgabe aller jener Forderungen verlangt 
wurde, die (nach russischer Ansicht) die souveränen Rechte Serbiens 
verletzten. Unter diesen Umständen wäre Rußland bereit, seine 
militärischen Vorbereitungen einzustellen. Diese Bedingungen 
sind in Berlin als unannehmbar angesehen worden (Orangebuch 
Nr. 63). Auch Grey suchte ihre Abänderung zu erreichen (Blau¬ 
buch Nr. 103). Sogar Poincare ist der Ansicht gewesen, daß 
Österreich-Ungarn diese Forderungen nicht annehmen werde 
(Blaubuch Nr. 99). 
Trotz der, allerdings sehr wenig energischen Bitte Greys, 
seine Forderung im Sinne der englischen Vorschläge, die angeblich 
auch von Frankreich befürwortet wurden (siehe Gelbbuch Nr. 112), 
abzuändern und Österreich-Ungarn so viel Spielraum zu lassen, 
daß es durch Besetzung Belgrads oder eines anderen Faustpfandes 
Sicherheit für die zu gewährende Genugtuung erlange (Blaubuch 
Nr. 103), milderte Sasonow am 31. Juli seine Formel nur un¬ 
wesentlich. Er begnügte sich nunmehr mit der Festsetzung der
	        
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