Volltext: Kommentar zu den deutschen Dokumenten zum Kriegsausbruch (5 / 1920)

Offenbar hat der englische Geschäftsträger auf Grund des 
Telegramms Greys vom 25. Juli (Blaubuch Nr. 27, die Annahme 
der serbischen Antwort betreffend) einen Schritt beim Auswärtigen 
Amt unternommen, über dessen Erfolg sein Telegramm vom 26. Juli 
{Blaubuch Nr. 34) berichtet. Die Art der Weitergabe der englischen 
Anregung nach Wien läßt sich aus der Anmerkung zu Nr. 186 des 
Weißbuches nicht erkennen. Aus dem Rotbuch 1919 (II, Nr. 57) 
geht aber hervor, daß der deutsche Botschafter in Wien den Wunsch 
Greys dort zur Sprache gebracht hat. Worin also die von Szögyeny 
gemeldete Irreführung Englands bestehen soll, ist nicht ersichtlich. 
Der 26. Juli war ein Sonntag und infolgedessen „niemand 
im Foreign Office zu sprechen“ (Weißbuch Nr. 218). Trotzdem 
fand an diesem Tage ein völliger Umschwung der Haltung der 
englischen Regierung, d. h. Greys, statt. Was an diesem Tage 
in London vor sich ging, wird wohl ewig Geheimnis bleiben. Be¬ 
zeichnend ist, daß das englische Blaubuch kein Telegramm nach 
Petersburg und, außer Nr. 36, den Vorschlag einer Botschafter¬ 
konferenz, der weiter unten zu behandeln ist, nur ein Telegramm 
(Nr. 37) nach Paris wiedergibt, das um Antwort auf den Vorschlag 
einer Vermittlung der vier Mächte bittet. Auch nach Rom (Nr. 36 
ausgenommen) und nach Wien gingen angeblich keine Telegramme 
von Bedeutung. In irgendeiner Form ist aber der englische 
Vorschlag vom 26. Juli (Blaubuch Nr. 36) auch nach Petersburg 
mitgeteilt worden (siehe Blaubuch Nr. 53 und Orangebuch Nr. 32). 
Die Weisung von Buchanan ist jedoch niemals veröffentlicht 
worden. Oman, der englische Offiziosus, täuscht über die Lücken 
des Blaubuches und den Umschwung vom 26. Juli dadurch hin¬ 
weg, daß er bei der Erörterung der englischen Vorschläge die ver¬ 
schiedenen Daten absichtlich durcheinander wirft. 
Wir besitzen aber einen russischen Situationsbericht aus 
London von diesem Tage. In dem Bericht Benckendorffs vom 
26. Juli heißt es: 
„Sir E. Grey hört nicht auf, mir zu wiederholen, daß seine nach Berlin 
gerichteten Erklärungen dort auf keinen Fall gestatten, auf die Neutralität 
Englands im Falle eines Krieges zu rechnen. Lichnowsky war in der Tat sehr 
verwirrt, aber das kommt daher, weil es ihm weh tat, daß es zum Kriege kommt. 
Ich bin gar nicht sicher, daß er die Worte Greys so verstanden hat, wie Grey 
es wünschte. Das wiederhole ich Grey daher täglich und in den verschiedensten 
Tonarten. Er versteckt sich hinter der Hoffnung auf Verhandlungen. Mir 
gelingt es nicht, ihn vorwärts zu bringen. 
Zum Unglück ist Cambon nicht hier, er wird erst Dienstag morgen zurück¬ 
kommen. Ich habe ihn gebeten, seine Rückkehr zu beschleunigen. Ich hege 
die Besorgnis, daß Grey seiner öffentlichen Meinung nicht ganz sicher ist und 
befürchtet, daß man ihn nicht unterstützen werde, wenn er zu früh hervor¬ 
tritt. Sie haben, glaube ich, Buchanan gesagt, daß die ganze englische Presse, 
die ,Times1 ausgenommen, nichts tauge. Das ist nicht ganz richtig. ,Evening 
Post“ und andere Regierungsblätter gehen weiter. ,Westminster Gazette“
	        
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