Volltext: Kommentar zu den deutschen Dokumenten zum Kriegsausbruch (5 / 1920)

3. Englands Stellungnahme zum austro-serbischen Konflikt 
Die englische Regierung faßte von vornherein die Möglichkeit 
ins Auge, daß ein Konflikt der Mächte aus dem österreichisch¬ 
serbischen Streit hervorgehen könne. Während sie sich auf den 
Standpunkt stellte, sich in den letzteren nicht einmischen zu 
wollen, machte sie frühzeitig Vorschläge, um die Gefahr einer 
Ausdehnung dieses Konfliktes zu vermindern und für den Fall 
einer österreichisch-russischen Spannung eine Vermittlung der 
Mächte herbeizuführen. Am 24. Juli erklärte Grey, falls das 
österreichisch-ungarische Ultimatum zu keinem Zwist zwischen 
Österreich-Ungarn und Rußland führe, so habe er nichts damit 
zu tun. Für den anderen Fall aber regte er an, daß eine Ver¬ 
mittlung der vier Mächte Deutschland, England, 
Frankreich und Italien im Sinne einer Mäßigung zugleich in Wien 
und Petersburg stattfinden solle. Grey bat ferner, im Sinne einer 
Fristverlängerung in Wien vorstellig zu werden, d. h. um Ein¬ 
wirkung auf Österreich-Ungarn, daß es seine mili¬ 
tärischen Maßnahmen gegen Serbien nicht über¬ 
stürze, damit Zeit gewonnen werde (Weißbuch Nr. 157, Blau¬ 
buch Nr. 11). Dieser Doppelvorschlag lag am 25. Juli in Berlin 
vor. Er wurde unverzüglich nach Wien weitergegeben (Wei߬ 
buch Nr. 171) und zugleich Lichnowsky mitgeteilt, daß der Vor¬ 
schlag auf Fristverlängerung wenig Aussicht auf Annahme habe 
(Weißbuch Nr. 164). Der Vorschlag einer Vermittlung der vier 
Mächte zwischen Wien und Petersburg wurde deutscherseits 
angenommen. Jagow erklärte sofort dem englischen Geschäfts¬ 
träger, „wenn die Beziehungen zwischen Österreich und Rußland 
drohend würden, sei er durchaus bereit, auf Greys Vorschlag der 
Zusammenarbeit der vier Mächte zugunsten von Mäßigung in 
Wien und Petersburg eingehen“. (Blaubuch Nr. 18.) 
Eine Antwort aus Wien erfolgte nicht. Unabhängig von diesen 
englischen Vorschlägen ließ jedoch die österreichisch-ungarische 
Regierung am 24. Juli in London erklären, sie beabsichtige nicht, 
sofort nach Ablauf des Ultimatums militärisch gegen Serbien 
vorzugehen (Rotbuch 1919, II, Nr. 13, Blaubuch Nr. 14). Damit 
war bereits dem ersten Teil des Vorschlages Greys Rechnung ge¬ 
tragen (vgl. Weißbuch Nr. 180). Eine englische Demarche in 
Wien im Sinne von Weißbuch Nr. 157, Blaubuch Nr. 11 ist an¬ 
scheinend nicht erfolgt. 
Am 25. Juli erweiterte Grey in Weisungen nach Petersburg, 
Berlin und Wien seinen Vermittlungsvorschlag dahin, daß die 
vierMächte, wenn es zu einer Mobilmachung der russischen 
und österreichisch-ungarischen Streitkräfte käme, gemeinsam 
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