Volltext: Kommentar zu den deutschen Dokumenten zum Kriegsausbruch (5 / 1920)

gelehnt habe“ (Weißbuch Nr. 421, Anm. 2). Ein eingehender 
Vergleich der Antwortnote mit dem Ultimatum ist also, falls ein 
solcher deutscherseits überhaupt vorgenommen wurde, dem Reichs¬ 
kanzler allem Anscheine nach bis dahin nicht vorgelegt worden. 
Berlin hat sich wohl zunächst mit der Wiener Mitteilung vom 
25. Juli: „in der Antwort seien mehrere Punkte unbefriedigend“ 
(Weißbuch Nr. 188), zufrieden gegeben und dann die österreichische 
Erläuterung der Note (Rotbuch 1919, II, Nr. 96), die erst am 
29. Juli einging (Weißbuch Nr. 347), nicht weiter nachgeprüft. 
Ein gewisses Mißtrauen gegen Wien hat aber anscheinend be¬ 
standen, denn am 27. Juli verlangte Jagow die telegraphische 
Übermittlung des Textes der serbischen Antwort (Weißbuch 
Nr. 246). 
Nach Auffassung der Wiener Regierung hat Serbien weder 
die gestellten Forderungen in der durch die Note vom 23. Juli 
gesetzten Frist erfüllt, noch in der nachher gelassenen Zeit den 
Willen bekundet, sich friedlich mit Österreich-Ungarn zu ver¬ 
ständigen. Die Antwortnote, die am 25. Juli dem österreichisch- 
ungarischen Gesandten überreicht wurde, formulierte in den 
meisten Punkten Vorbehalte, welche den Wert der gemachten 
Zugeständnisse wesentlich herabdrückten. Die Ablehnung betraf 
aber gerade jene Punkte, welche nach österreichisch-ungarischer 
Auffassung einige Garantie für die faktische Erreichung des an¬ 
gestrebten Zweckes enthielten (Rotbuch 1919, III, Nr. 25, Wei߬ 
buch Nr. 400). 
Die Kabinette in Petersburg, Paris und London haben wieder¬ 
holt behauptet, daß sie in Belgrad zur Nachgiebigkeit gegenüber 
den österreichisch-ungarischen Forderungen geraten hätten. Ein 
Beweis hierfür ist nicht erbracht; nach den veröffentlichten Doku¬ 
menten ließe sich eher das Gegenteil annehmen. 
Weder im russischen Orangebuch noch im serbischen Blau¬ 
buch ist von irgendeinem Ratschlag die Rede, der von Petersburg 
nach Belgrad gelangt wäre. Pokrowski teilt mit, daß in der Zeit 
zwischen dem Mord von Sarajevo und dem 22. Juli Sasonow von 
London aus wiederholt wegen der unvorsichtigen Handlungsweise 
des russischen Vertreters in Belgrad gewarnt wurde. Am 22. Juli 
telegraphierte Benckendorff, Grey sei besorgt, der Nachfolger 
Hartwigs würde plötzlich „eine bestimmte Haltung annehmen“, 
und das würde „eine außerordentlich schwer gutzumachende Tat¬ 
sache“ sein (Prawda Nr. 7 vom 9. März 1919). Der englische 
Geschäftsträger in Belgrad berichtete am 25. Juli, weder sein 
russischer Kollege noch der französische Gesandte hätten An¬ 
weisungen ihrer Regierungen erhalten, Serbien Ratschläge zu er¬ 
teilen. Er fügt allerdings hinzu, er halte es für „höchst wahr¬
	        
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