Volltext: Kommentar zu den deutschen Dokumenten zum Kriegsausbruch (5 / 1920)

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mußte ein Gefühl von Unsicherheit entstehen, das ein Drängen 
militärisch verantwortlicher Stellen auf eine Entscheidung wohl er¬ 
klärlich macht. Was sollte werden, wenn Rußland unter dem Vor¬ 
wand der „Mobilmachung nur gegen Oesterreich“ ein Korps nach 
dem anderen auch gegenüber Deutschland mobilisierte? Wer da¬ 
mals die Verantwortung nicht zu tragen hatte, kann nachträglich 
leicht zu kritisieren. Zudem können, seitdem im Mai 1919 die fran¬ 
zösisch-russische Militärkonvention von 1893/4 veröffentlicht worden 
ist, die russischen Vorspiegelungen, daß die Mobilmachung in Ru߬ 
land etwas anderes bedeute als in den westlichen Ländern, und 
daß sie nicht unmittelbar von militärischen Operationen gefolgt 
sein werde, nicht mehr als glaubhaft angesehen werden. Die 
politischen und militärischen Ratgeber des Zaren konnten nicht im 
Unklaren darüber sein, daß in Anbetracht der Stärkeverhältnisse 
Oesterreich-Ungarn schon auf die russische Teilmobilmachung mit 
seiner Gesamtmobilmachung zu antworten genötigt war. Sie 
mußten wissen, daß die Mobilmachung auch nur eines 
Dreibundstaates vertragsmäßig die Mobili¬ 
sierung der gesamten, nicht nur russischen, 
sondern auch französischen Streitkräfte und 
deren ungesäumten Einsatz zu entscheiden¬ 
dem Kampfe nach sich zu ziehen hatte (Artikel 2 und 3 der 
im Anhang abgedruckten französisch-russischen Militärkonvention). 
Schon die russische Teilmobilmachung zog daher „automatisch“ 
die österreichisch-ungarische und damit „vertragsmäßig die fran¬ 
zösische Gesamtmobilisierung nach sich. Mobilmachung in Ru߬ 
land bedeutete somit nicht „etwas anderes“ als in westlichen Län¬ 
dern. Zudem hatte schon 1892 der russische Generalstabschef ge¬ 
sagt: „Im Falle eines Krieges gegen Oesterreich ist es für Rußland 
unbedingt unmöglich, eine Teilmobilmachung durchzuführen, Ru߬ 
land muß und wird zu einer Gesamtmobilmachung schreiten“ 
(3. französisches Gelbbuch Nr. 53). 
VII. Die Ultimaten nach Petersburg 
und Paris 
Kaiser Franz Josef sah schon nach Empfang des Telegramms 
seines Petersburger Botschafters über die russische Teil mobil- 
machung, das am 29. Juli, 10° abends, in Wien eintraf (G. S. 247), 
Anm. 2), dem Monarchen aber vielleicht erst am 30. zur Kenntnis 
gebracht wurde, die Fortsetzung der Vermittlung als aussichtslos 
an und telegraphierte am 31. Juli, l06 nachm., nach Berlin:
	        
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