Volltext: Kommentar zu den deutschen Dokumenten zum Kriegsausbruch (5 / 1920)

Dienstag einberufenen Kammern zu erklären, daß auf Frankreich ein Überfall 
verübt worden sei, und so dieformale Kriegserklärungzu ver¬ 
meide n.“ (Prawda Nr. 7 vom 9. März 1919.) 
Die Statistik der Grenzzwischenfälle schneidet aber zugunsten 
Deutschlands ab. Die französischen Übergriffe häuften sich 
schließlich derart, daß der Zustand unhaltbar wurde. Am 2. August 
wurden über fünfzig französische Grenzverletzungen verzeichnet. 
Diese nahm die deutsche Regierung zum Anlaß ihrer Kriegs¬ 
erklärung vom 3. August (Weißbuch Nr. 734). Wie sich nachträg¬ 
lich herausgestellt hat, beruhten einige der weniger wesentlichen 
Vorfälle, auf die sich die deutsche Kriegserklärung berief, auf 
Falschmeldungen. Die Nachrichten von Fliegerangriffen auf die 
Bahnen bei Wesel, Karlsruhe und Nürnberg haben sich nicht 
bestätigt. Es besteht jedoch keinerlei Zweifel darüber, daß seit 
dem 2. August französische Truppen auf deutschem Boden standen. 
Auch Frankreich hat Klagen über deutsche Grenzverletzungen 
geführt (Weißbuch Nr. 705, 722). Der deutsche Generalstab hat 
seinerzeit einen Fall als richtig zugegeben (Weißbuch Nr. 869). 
Im übrigen wurden unter Wirkung der Kriegspsychose beiderseits 
viele unwahre Behauptungen geglaubt (die Automobile an der 
holländischen Grenze, Weißbuch Nr. 670, 768; Brunnenver¬ 
giftungen, Weißbuch Nr. 690, 710; die Sprengung des Cochemer 
Tunnels, Weißbuch Nr. 693). Die Franzosen beschwerten sich in 
London über einen deutschen Vormarsch auf Nancy (Weißbuch 
Nr. 689); eine Meldung, die völlig aus der Luft gegriffen war. Sie 
sind auch niemals darauf zurückgekommen. 
Für den Kriegszustand waren nach der russischen Mobil¬ 
machung und der Kriegserklärung an Rußland die Grenzver¬ 
letzungen im Westen nur von ganz untergeordneter Bedeutung. 
Sie waren nur der Anlaß, nicht der Grund zur 
Kriegserklärung an Frankreich. Kriegsgrund war 
die Tatsache, daß unzweifelhaft feststand, Frankreich werde an 
einem deutsch-russischen Kriege an Rußlands Seite teilnehmen. 
Wir wissen aus den russischen Urkunden, daß bereits 1912 sich 
die französische Regierung bereit erklärt hat, wegen einer Balkan¬ 
frage in einen europäischen Krieg einzutreten. 1914 ist es nicht 
anders gewesen. Der wahre Grund zur Kriegserklärung Deutsch¬ 
lands an Frankreich war der als sicher vorauszusetzende fran¬ 
zösische Kriegswille und die Verpflichtung des französisch-russi¬ 
schen Bündnisses. Dem trägt der erste Entwurf einer Kriegs¬ 
erklärung an Frankreich (Weißbuch Nr. 608) Rechnung, und es 
ist sehr zu bedauern, daß deutscherseits nicht der Wahrheit die 
Ehre gegeben und von diesem Entwurf Gebrauch gemacht wurde.. 
Den Umweg über die tatsächlichen und angeblichen Grenzver¬
	        
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