Volltext: Ueber die innere Entwicklung Oesterreichs in den letzten vier Jahrzehnten

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schränkung des Wahlrechtes. Nur eine Bevölke— 
rungsgruppe schlossen die Liberalen voll Zärtlichkeit ganz 
in ihr Herz — die Juden! Sie waren Liebkind, denn 
sie gingen mit den Verwaltungsräten durch dick und dünn. 
Aber die Gegner bekamen die schwere Faust des „frei— 
heitlichen Liberalismus“ zu spüren. Im Frühjahr 1872 
errangen die Verfassungstreuen bei den Waählen in den 
böhmischen Landtag den Sieg — durch Militäreinquar— 
tierungen! Am grimmigsten jedoch wurden die glaubens— 
treuen Katholiken angefeindet. Liberal 
hieß ja antikathohisch sein! Die Herren wolltem 
hinter den „Kulturkämpfern“ im, Deutschen Reiche draußen. 
nhicht zurückbleiben. Den 21. Jänner 1874 legte die Re— 
gietrung dem Abgeordnetenhause vier kirchenpolitische Ge— 
setzentwürfe vor. Am 22. Februar 1874 hielt das katholisch⸗ 
haͤtriotische Kasino von Linz eine zahlreich besuchte Ver⸗ 
sammlung ab; an den Bischof, wurde eine Adresse zu 
richten beschlossen, in der ihm verbindlichst für sein kräftiges 
Wort des Protestes gegen die konfessionellen Vorlagen ge— 
dankt und er gebeten wurde, alles zu tun, was ihm geeignet 
erscheine, das Zustandekommen der Gesetze zu hindern. Das 
gelang freilich nicht. Die Liberalen ließen sich in ihrer 
Kampfeslust nicht zurückhalten und so erlangten im Mai 
1874 drei Gesetze die Sanktion: die über die äußeren 
Rechtsverhältnisse der katholischen Kirche. über die Reli— 
gionsfondssteuer und über die gesetzliche Anerkennung neuer 
Religionsgenossenschaften, in erster Linie der „Altkatholiken“ 
Aber jetzt war's genug. Schon im September des— 
selben Jahres sagte der Kaiser zum Kardinal 
Schwarzenberg' in Prag: „Wenn ich auch bis jetzt 
durch die Verhältnisse gehindert ward, zum Schutze der 
Kirche das zu keisten, was dem Verlangen meines Herzens 
entsprach, so bin ich mir doch dessen bewußt, daß ich vieles 
verhindert habe, was der Kirche weit mehr hätte schaden 
müssen als das, was zu ihrem Nachteile wirklich geschehen 
ist. Ich verspreche, daß ich, soweit die Verhältnisse es zu— 
lafssen, die Kirche schützen werde.“ In der Tat wurde nun 
die famose „Reform“ des Eherechtes verhindert und dem 
Klostergesetze, das beide Häuser des Reichsrates beschlossen 
hatten, verweigerte der Kaiser im Jänner 1876 die Sanktion. 
Freilich, die Liberalen ruhten nicht. So wurde es 
Bischof Rudigier unmöglich gemacht, den neuen Linzer 
Friedhofteil einzuweihen, weil die Nichtkatholiken ganz 
unterschieddlos unter den Katholiken begraben werden
	        
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