Die digitale Landesbibliothek Oberösterreich

Die Zone des Schweigens 
Denn zwanzig Jahre sind seit Kriegsausbruch 
vergangen. 
Eine Jone des Schweigens hat sich zwischen die 
Ereignisse von damals und das heute gelegt. 
Denn das menschliche Erinnerungsvermögen 
birgt in sich zwei Kormen der Rückschau: Oie eine 
ist rein optisch bedingt und hält mit einer gewissen 
Treue das Vildmätzige eines gewesenen Vorgangs 
in der Seele fest. Uber jedes Ereignis ist auch von 
Gefühlswerten durchdrungen gewesen, die bei 
dem Ereignisablauf damals wirksam waren. Diese 
Urt der Erinnerung unterliegt einem Schwund¬ 
vorgang, der sehr viel stärker ist als bei den rein 
optischen Eindrücken, die unser Gedächtnis bewahrt. 
Oie Spannungen des Ich zur damaligen Um¬ 
welt klingen im Laufe der Jahre oft bis zu einem 
erschreckenden Nichts ab. Was blieb von Schmerz 
und Ängsten, von jenen ungeheuerlichen Nerven¬ 
spannungen, die der Nrieg forderte, was von Er¬ 
schütterungen, die letzte Tiefen aufwühlten? 
Zuerst eine tote Zone. Venn der Mensch will 
vergessen. 
Er durchschreitet diese Zone. Und dann kommt 
ein Tag, an dem er sich trotzdem rückwärts wendet. 
Sieht dann in der Kerne einen verklärenden Schein 
am Rande der Vergangenheit und empfindet, daß 
er sich längst in einer neuen Zone frischer Ge¬