Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Zweiter Theil] (8,2 / 1901)

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Die Wissenschaft vom subjectiven Geist. 
Wirksamkeit ist die unmittelbare Herrschaft, welche der stärkere Geist 
ohne weiteres auf den schwächeren ausübt, womit er denselben gleich 
sam bannt, wie Kent von Lear sagt: „Es ist etwas in seinem Gesicht, 
das ich gern Herr nennen möchte". „Die vermittlungsloseste Magie 
ist näher diejenige, welche der individuelle Geist über seine eigene 
Leiblichkeit ausübt, indem er dieselbe zum unterwürfigen, widerstands 
losen Vollstrecker seines Willens macht." * 
Die natürliche Seele empfindet den gegenwärtigen Eindruck, nicht 
den künftigen; die fühlende Seele, da sie die ganze Welt umfaßt und 
durchdringt, in welcher sie und die in ihr lebt, hat Vorgefühle von dem, 
was dem Individuum bevorsteht und in ihm schon vorbereitet liegt, 
d. h. sie hat Ahnungen, die um so mächtiger auftreten können, je 
weniger die Seele von den Zerstreuungen des Alltagslebens aus 
einander gezogen ist, je ruhiger, stiller, gesammelter sie in sich lebt 
und webt, wie in der Nacht, im Schlaf, im Traum. So erklärt sich 
aus dem Wesen der fühlenden Seele die Möglichkeit ahnungs- und 
bedeutungsvoller Träume. 
Zu den Mächten, die der natürlichen Seele inwohnen und einen 
unwillkürlichen Einfluß auf dieselbe ausüben, gehört die Heimath, das 
Vaterland, der Staat u. s. f. Diese Mächte sind durchaus individuell 
bestimmt und zugleich von allgemeiner Geltung, sie sind weder ver 
einzelte Dinge, noch machen sie vereinzelte Eindrücke; sie werden daher 
nicht empfunden, sondern gefühlt; es giebt Heimathsgefühle wie Heim 
weh, Vaterlandsgefühle, wie patriotische Pflichtgefühle u. s. f. Wenn 
nun diese Mächte so gewaltig sind, daß sie die Seele ganz erfüllen 
und unwiderstehlich beherrschen, so sind sie der Genius des Indivi 
duums, es kann ihren Untergang oder Verlust nicht überleben, sondern 
stirbt ihnen nach, wie Cato der römischen Republik. ^ 
Nun kann ein Individuum seinen Genius in einem andern In 
dividuum haben, von dem es unmittelbar abhängig ist und sich fühlt. 
Dadurch entstehen zwischen verschiedenen Individuen die sogenannten 
magischen Verhältnisse, die auf ganz natürliche und normale 
Weise stattfinden, wenn sich das eine noch unselbständige Individuum 
wirklich in leiblicher Abhängigkeit von dem andern befindet, wie das 
erst heranreifende Kind (Fötus) im Leibe der Mutter. 3 
i Ebendas. § 405. S. 151—156. — - Ebendas. S. 158 u. 189. S. 161 u. 
162. S. 164. — - Ebendas. S. 159-161.
	        
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