Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Zweiter Theil] (8,2 / 1901)

1048 Die Geschichte der Philosophie. Die griechische Philosophie. 
tragische Schicksal, die Tragödie Athens, die Tragödie Griechen 
lands."' 
3. Die Sokratiker. 
Da die Lehre des Sokrates weder systematisch noch schriftlich aus 
gebildet war, so konnte es nicht fehlen, daß seine nächsten Schüler den 
Standpunkt des Sokrates einseitig auffaßten. „In der Lehre wie in 
der Persönlichkeit des Sokrates bestand die völlige Einheit zwischen 
dem Wissen und dem Guten oder zwischen der dialektischen und 
der ethischen Lebensrichtung; in der einseitigen Auffassung dagegen 
trennten sich diese beiden Elemente und wiederum sonderte sich die 
ethische Richtung in zwei einander widersprechende Fassungen, da die 
eine das Gute dem Vergnügen oder der Lust, die andere dagegen 
der Tugend oder der Bedürfnißlosigkeit gleichsetzte. So ent 
standen drei Arten Sokratiker, die nach ihrem örtlichen Schauplatz und 
Ursprung die Megariker, Cyrenaiker und Cyniker genannt 
werden. Der Stifter der ersten war Euklides von Megara, der 
Stifter der zweiten Aristippns von Ehrene, der Stifter der 
dritten Antisthenes von Athen, der zu Athen in dem Gymnasium 
lehrte, welches Ky nosarg es hieß. Diese drei Arten der Sokratiker 
erscheinen nach Aristoteles in erhöhter Potenz als Skeptiker, Epikureer 
und Stoiker. Die Megariker haben sich in der Streitrede und in 
der Kunst der Widerlegung besonders hervorgethan und heißen deshalb 
auch Eristiker. Da es sich bei den Megarikern um die Auffindung 
dialektischer Widersprüche bis zur Vernichtung alles Wissens, bei den 
beiden andern um die Selbständigkeit und Unabhängigkeit des Indi 
viduums handelt, so würde man diese sogenannten sokratischen Schulen 
wohl am richtigsten als sophistische Sokratiker bezeichnen. Euklides 
kommt von Gorgias her, wie dieser von den Eleaten; dasselbe gilt 
von Antisthenes. Hegel will sogar die ganze megarische Schule als 
- Hegel. XIV. S. 81—105. — Was die baldige Reue und die Bestrafung 
der Ankläger betrifft, so sind die darauf bezüglichen Geschichten keineswegs that 
sächlich und wohl beglaubigt, auch würde das historische Gegentheil besser zu 
Hegels ganzer Auffassung gepaßt haben. — In Ansehung aber der Gegen 
schätzung des Sokrates hat Hegel ganz unbeachtet gelassen, daß nach der pla 
tonischen Apologie Sokrates sich eine Geldstrafe von 30 Minen zuerkannt hat, 
für deren Zahlung Plato, Kriton, Kritobulus und Apollodorus Bürgschaft 
leisten wollten. Daß er mit einer geringeren Majorität sür schuldig befunden, 
mit einer größeren zum Tode verurtheilt wurde, läßt Hegel unerwähnt, obwohl 
es mit seiner Auffassung übereinstimmt.
	        
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