Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Zweiter Theil] (8,2 / 1901)

1026 Die Geschichte der Philosophie. Die griechische Philosophie. 
* Ebendas. S. 213—227. 
habe er sich nicht aoyö?, sondern '■piXöao'poq genannt, da er die Weis 
heit nicht wegen ihres praktischen Nutzens, sondern um ihrer selbst 
willen, d. h. als Wissenschaft betrieben, nicht als ein Ziel, welches 
man zu erstreben, sondern als eine Sache, womit man sich zu be 
schäftigen, welche man auszubilden und zu lehren habe. 
So entstand eine Schülerschaft, die durch ihre Abstufungen (Exo- 
teriker und Esoteriker), durch ihre nach außen wie nach innen geschlossene 
Organisation den Charakter einer Gesellschaft, eines Ordens gewann, 
den man den pythagoreischen Bund genannt und worüber man 
namentlich in späterer Zeit viel gefabelt hat. Die charakteristischen 
Züge waren die Gemeinsamkeit und Regelmäßigkeit des Lebens, 
die beständige Selbstprüfung, die Beherrschung der Begierden, daher 
die Enthaltung von blutiger Speise und Wein, die vegetabilische Er 
nährung (ausgenommen die Bohnen), die weiße leinene Kleidung, die 
gemeinschaftlichen Mahle, die gymnastischen und musikalischen Uebungen, 
die Ehrfurcht vor dem Haupte des Bundes, der Person des Pythagoras, 
der als ein sehr schöner Mann von majestätischem Ansehen geschildert 
wird, das fünfjährige, schweigende Noviziat (öx^olll«), „Diese Pflicht, 
das Geschwätz zurückzuhalten, kann man überhaupt sagen, ist eine 
wesentliche Bedingung für jede Bildung und jedes Lernen; man muß 
damit anfangen, Gedanken anderer auffassen zu können und auf eigene 
Vorstellungen Verzicht zu leisten." „Wahre Bildung ist nicht die Eitelkeit, 
auf sich so sehr seine Aufmerksamkeit zu richten und sich mit sich als 
Individuum zu beschäftigen, sondern die Selbstvergessenheit, sich in 
die Sache und das Allgemeine zu vertiefen." 
Durch die Wirksamkeit und Ausbreitung des pythagoreischen Bundes 
gewann derselbe politisches Ansehen in den italischen Städten und ver 
trat, wie es seine Grundrichtung forderte, die Herrschaft der Besten 
gegen die Volksherrschaft. Es kam zu fortgesetzten Kämpfen, welche zuletzt 
die Vertreibung der Pythagorecr aus Italien zur Folge hatten. In 
einem solchen Volksaufstande soll Pythagoras selbst umgekommen sein, 
sei es in Kroton oder in Metapont oder nach andern in einem Kriege 
der Syrakusaner gegen die Agrigentiner? 
Um die wahre pythagoreische Lehre kennen zu lernen, muß man 
alles abthun, was später durch die Neupythagoreer und ihre pseudo 
pythagoreischen Schriften, noch später durch die Neuplatoniker aus ihr
	        
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