Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Zweiter Theil] (8,2 / 1901)

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Die Philosophie der Religion. 
der Kampf des Guten mit dem Bösen, sondern ein göttlicher Ver 
lauf, welcher der Natur Gottes selbst angehört und sich an einem 
Individuum vollzieht. Die persönliche Gestalt, in welcher dieser Proceß 
als ein Gegenstand der religiösen Anschauung und des Cultus erscheint, 
ist der Adonis (der biblische Thamnus). Im Frühjahr wnrde ein 
Hauptfest des Adonis gefeiert; es war eine Todtenfeier, ein Fest der 
Klage, welches mehrere Tage dauerte. Zwei Tage hindurch wurde 
Adonis mit Klagen gesucht; der dritte Tag war das Freudenfest, wo 
der Gott wieder auferstanden war. Das ganze Fest hat den Charakter 
einer Feier der Natur, die im Winter erstirbt und im Frühling erwacht. 
Einerseits ist dies ein Naturverlauf, andererseits aber ist es symbolisch 
zu nehmen als ein Moment des Gottes, das Absolute überhaupt 
bezeichnend. 1 
3. Die ägyptische Religion. Die Religion des Räthsels. 
Die Selbstverbrennung des Phönix wie der Tod und die Wieder 
geburt des Adonis wiederholen sich ins Endlose. Was in diesen 
Anschauungen zur sinnbildlichen Darstellung gelangt, ist im Grunde 
nichts Anderes als der endlose Lebensproceß, die schlechte Unendlichkeit 
des Lebens. Hier wird von demselben Individuum der Tod zwar erlebt 
und erlitten, aber nicht besiegt und überwunden. Die wahrhafte Ueber 
windung des Todes ist nicht das Leben, welches wieder stirbt, 
sondern das Leben, welches nicht mehr stirbt, das unsterbliche, 
ewige Leben: der Geist. Die Aegypter sind, wie Herodot sagt, die 
Ersten gewesen, welche die Unsterblichkeit der Seele gelehrt haben. 
Der Tod wird erlitten, er ist kein Zwischen- und Scheinzustand, 
wie im Grunde die Asche des Phönix oder das Sterben des Adonis sind, 
sondern eine reale, schreckliche Zerstörung, die kein lebendiges Wesen, 
so lange es bei Sinnen und bei Trost ist, sich selbst zufügt, daher 
muß der Tod erlitten werden von einer fremden, feindlichen und furchtbaren 
Macht, er ist ein Werk des Ahriman, welchen Ormuzd wohl bekämpft, 
aber nicht bewältigt. Der ägyptische Ormuzd ist Osiris, der ägyptische 
Ahriman ist Typhon, welcher den Osiris zerreißt und zerstückelt; 
Osiris aber bewältigt den Tod, nicht bloß durch seine Wiederbelebung, 
sondern dadurch, daß er die Todten richtet und das Todtenreich 
(Reich des Amenthes) beherrscht: er regiert die Lebendigen und die 
Todten. Osiris ist der gute, wohlthätige Gott, der Inbegriff der 
- Hegel. XI. S. 418—421.
	        
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