Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Zweiter Theil] (8,2 / 1901)

Die bestimmte Religion. 
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„diese Collision ist noch sehr weit davon, gelöst zu sein". „An diesem 
Widerspruch und an der herrschenden Bewußtlosigkeit desselben ist es, 
daß unsere Zeit leidet." 1 
Vierundvierzigstes Capitel. 
Die Philosophie der Neligion. B. Die bestimmte Religion. 
I. Die Eintheilung. 
1. Das Thema. 
Der Begriff der Religion, wie im vorigen Abschnitt ausführlich 
gezeigt worden ist, enthält drei Momente: die Gottesidee, das Gottes 
bewußtsein, d. i. das religiöse Bewußtsein oder Verhältniß, und den 
Gottesdienst oder Cultus, welcher die beiden ersten Momente zusammen 
schließt oder vereinigt. In dieser Einheit, die wir auch als das Dasein 
Gottes im Menschen oder als die Menschwerdung Gottes bezeichnen 
können, besteht der Begriff der Religion, der aber nicht bloß im philo 
sophischen Bewußtsein, sondern im Bewußtsein der Welt und der 
Menschheit gegenwärtig sein soll, d. h. der Begriff der Religion hat 
sich zu verwirklichen oder zu entwickeln, die religiöse Wahrheit will 
zum Bewußtsein über sich selbst, zur religiösen Gewißheit gelangen, 
was nur im Processe der Weltgeschichte geschehen kann und geschieht. 
Der Begriff der Religion realisirt sich in den bestimmten Religionen, 
die sich zum Begriff der Religion verhalten, wie die Arten zur Gattung, 
vielmehr, da sie einander nicht coordinirt sind, wie die Entwicklungs 
stufen zu der Anlage als dem lebensfähigen und lebensbedürftigen 
Keim. Was Hegel den Begriff der Religion nennt, ist nichts anderes 
als der dem menschlichen Geist inwohnende Wille zur religiösen Wahr 
heit, der religiöse Gestaltungstrieb; die religiöse Wahrheit ist eine, 
' Vgl. dieses Werk. Buch II. Cap. XXXVII. S. 809. Hegel. Bd. XI. 
S. 240—251. — Während ich diese Zeilen schreibe, tagt in Bonn eine Katholiken 
versammlung von vielen Tausenden. Das rhetorische Meisterstück ist „die flammende 
Rede" eines Dominikaners, der dem Protestantismus den Untergang verkündet; 
der Führer der katholischen Partei im deutschen Reichstage ist zugegen und hat 
die laut gepriesene Vision eines „neuen Peter von Amiens"; er hört schon den 
Ruf: „Gott will es! Gott will es!" Was will Gort? Er will den Kreuzzug nicht 
nach Jerusalem, sondern gegen die deutsche Reformation und ,das protestantische 
Deutschland, welches schweigend zuhört.
	        
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