Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Zweiter Theil] (8,2 / 1901)

Der Begriff der Religion. 
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Todtenfeier und die innere Reue und Buße. Diesen Formen ent 
sprechen die Arten der Opfer: das Opfer der Früchte und Thiere, das 
Opfer der Arbeit und Werke, das Sühnopfer, das Todtenopfer und 
das Opfer des eigenen und eigensüchtigen Herzens. Dieses letzte ist 
von allen Opfern das höchste und wahrste, denn es gilt im eigentlichen 
Sinn ohne alle Bildlichkeit. 
3. Das Verhältniß der Religion zum Staat« 
Die Religion erstrebt im Cultus die Reinheit und Lauterkeit der 
Gesinnung, d. i. die Sittlichkeit, die sich in der Welt als Staat 
realisirt, daher hängen Religion und Staat auf das genaueste zusammen 
und vereinigen sich im Begriff und Endzweck der Freiheit. „Es ist 
ein Begriff der Freiheit in Religion und Staat. Dieser eine Begriff 
ist das Höchste, was der Mensch hat, und er wird von dem Menschen 
realisirt. Das Volk, das einen schlechten Begriff von Gott hat, hat 
auch einen schlechten Staat, schlechte Regierung, schlechte Gesetze." 
Die Religion will die Freiheit von der Welt, der Staat will die 
Freiheit in der Welt: beide Auffassungen der Freiheit können sich sehr 
wohl mit einander vertragen, aber sie können auch durch die Art und 
Weise ihrer Organisation in einen solchen Widerstreit gerathen, daß 
sie sich entzweien und einen schroffen Gegensatz bilden. Diese 
einander feindlichen Organisationen sind von seiten der Religion die 
mittelalterliche, hierarchisch verfaßte Kirche, von seiten des Staats 
der moderne Staat, die repräsentative oder constitutionelle Monarchie. 
Die Freiheit von der Welt besteht in der Heiligkeit, die Freiheit in 
der Welt besteht in der Sittlichkeit. Das Thema der Heiligkeit ist 
die Weltentsagung, die Flucht aus der Welt; das Thema der Sitt 
lichkeit ist die Verwirklichung der großen und gemeinsamen Zwecke der 
Menschheit in der Welt: in Familie, Gesellschaft, Staat und Völkerleben. 
Der Gegensatz zwischen Religion (Kirche) und Staat läuft hinaus 
auf den Gegensatz zwischen Heiligkeit und Sittlichkeit. Die Sittlichkeit 
fordert die Gründung der Ehe und Familie, die Heiligkeit fordert 
die Ehelosigkeit; die Sittlichkeit fordert die Arbeit und deren mannich- 
faltige Verzweigung im Dienste der Menschheit, die Frucht der Arbeit 
ist der Besitz und die auf die Arbeit gegründete bürgerliche Selbst 
ständigkeit und Rechtschaffenheit, die Heiligkeit dagegen fordert die 
Besitzlosigkeit und die Armuth; die Sittlichkeit fordert die per 
sönliche Freiheit und Selbständigkeit, die Heiligkeit dagegen
	        
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