Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Zweiter Theil] (8,2 / 1901)

Die Lehre von den Kunstformen. 
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i Ebendas. S. 198. — - Ebendas. ©. 204 u. 205. 
Verschlossene Gemüthstiefe ist keine Krankheit, weshalb Hegel 
dm Somnambulismus zum Zweck der dichterischen Darstellung solcher 
Gemüther nicht gelten läßt und darum Charaktere wie Kleists „Prinz 
von Homburg" und „Käthchen von Heilbronn" völlig verwirft/ 
Als das männliche Beispiel eines tiefen und stillen Gemüths, das 
die Energie des Geistes wie den Funken im Kiesel verschlossen hält, 
nicht etwa innerlich schwach, aber ohne kräftiges Lebensgefühl ist, nennt 
Hegel den Hamlet, der die geheime Unthat wittert, bei dem ersten 
Mißton des Unglücks in dumpfe Schwermuth versinkt, in der schonen 
Rechtlichkeit seines Gemüths nach objectiver Gewißheit sucht, aber selbst, 
nachdem er sie erlangt hat, zu keinem festen Entschluß kommt, sonder» 
sich durch äußere Umstände leiten läßt u. s. f. 2 
In der neuen Kunstform hat das Gemüth die volle Herrschaft 
und damit die volle Freiheit über alle darstellbaren Stoffe und 
Gegenstände gewonnen, von keinem gefesselt, in keinem fixirt, sondern 
in ungehemmter Flüssigkeit alle durchdringt und, wie es eben dem 
Künstler beliebt und derselbe gelaunt ist, entweder mit den Gegenständen 
spielt oder sich der Sache hingiebt, von ihr erfüllt und ergriffen, 
keineswegs überwältigt, sondern freiwillig begeistert. 
Wir können drei Formen oder Stufen der ästhetischen Freiheit 
unterscheiden und sprechen jetzt von der dritten und höchsten. Die erste 
ist die Freiheit der Betrachtung, jener Zustand vollkommener Ge 
müthsfreiheit, worin wir gar nichts anderes wollen und wollen 
können als die Gegenstände vorstellen und rein theoretisch genießen; 
die zweite ist die Freiheit der Erscheinung, jener Zustand, worin die 
Dinge ungehindert ihre Kraft äußern und zeigen, was sie sind. (Die 
ästhetische Freiheit im subjectivcn Sinne ist zuerst durch Kant begründet 
und klargestellt worden, die ästhetische Freiheit im objectiven Sinne 
zuerst durch Schiller.) Die dritte und höchste Form der ästhetischen 
Freiheit ist die des poetischen Schaffens und Gestaltens, die künst 
lerische, die in der Gesinnung, Stimmung und Laune des Künstlers 
besteht, und um ihrer schon gedachten, ungehemmten Flüssigkeit willen 
mit dem Worte Humor am besten bezeichnet und getroffen wird. Das 
Wort gilt ursprünglich von der physiologischen Erklärung der mensch 
lichen Temperamente und bedeutet in übertragenem Sinne soviel als 
die gut oder übel gelaunte Stimmung, namentlich die heitere Laune.
	        
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