Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Zweiter Theil] (8,2 / 1901)

Die Lehre von den Kunstformen. 
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beide Seiten (Inneres und Aeußeres, Geist und Natur, Mensch und 
Welt) zu einander gehören und nach aufgelöster Einheit und Harmonie 
sich gegen einander so verhalten, daß zwischen ihnen eine feste Dis 
harmonie stattfindet. Die Kunstform, welche diese Gestalt des hervor 
brechenden Gegensatzes der endlichen Subjectivität und der entarteten 
Aeußerlichkeit annimmt, ist die Satyre, die sich nicht als eine besondere 
Dichtungsart, weder epische noch lyrische, ausfassen läßt, sondern all 
gemeiner verstanden sein will als diese Uebergangsform des classischen 
Ideals, die im Wesentlichen prosaisch ist und darum auch nicht in 
Griechenland als dem Lande der Schönheit, sondern in der römischen 
Welt ihren wirklichen Boden findet. Hier giebt es keine schöne, freie 
und große Kunst; einheimisch bei den Römern sind die komischen 
Farcen (Fescenninen und Atellanen), das Lehrgedicht und die Satyre. 
Poetischer kann diese an sich selbst prosaische Kunstform nur werden, 
insofern sie uns die verderbte Gestalt der Wirklichkeit so vor Augen 
bringt, daß dieses Verderben durch seine eigene Thorheit in sich zu 
sammenfällt. Auch in den römischen Geschichtschreibern Sallust, Livius 
und Tacitus herrscht eine satyrische Tendenz; die satyrischen Dichter, 
welche diese Kunstsorm ausgeführt haben, sind Horaz, Persius in 
der herbsten Weise und Juvcnal, zuletzt der griechische Syrer Lucian. 
Die poetische Satyre muß die Kraft des Koniischen besitzen und aus 
üben, während die prosaische keinen höheren Geist athmet als nach 
Hegels treffendem Ausdruck den „einer tugendhaften Verdrießlichkeit 
über die umgebende Welt". 
Die absolute, in sich freie Subjectivität hat mit der Welt ge 
brochen und bedarf einer tiefern Versöhnung, als welche das classische 
Ideal und die classische Kunstform zu geben vermag; diese Versöhnung 
ist eine innerliche und geistige, und die ihr gemäße Kunstform die 
romantische. 1 
III. Die romantische Kunstform. 
1. Der religiöse Kreis der romantischen Kunst. 
„Die classische Kunst war die begriffsgemäße Darstellung des 
Ideals, die Vollendung des Reichs der Schönheit. Schönres kann 
nicht sein und werden." Eine neue Weltanschauung fordert auch eine 
neue Kunstgestaltung. Die neue Weltanschauung, die auf der Grund 
lage des Christenthums ruht, besteht darin, daß der Geist sich zu sich 
- Ebendas. S. 109-119. 
Fischer, Gesch. d. Philos, VIII, N. A. 
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