Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Zweiter Theil] (8,2 / 1901)

840 Die Aesthetik oder die Philosophie der schönen Kunst. 
In der symbolischen Kunstform waren Thiere noch Gegenstände 
der Verehrung und des Cultus, es gab in der indischen wie in der 
ägyptischen Religion heilige Thiere, was dem classischen Ideale als 
der Erhöhung und Verherrlichung des Menschen widerstreitet: daher 
gehört die Herabsetzung oder „die Degradation des Thierischen" 
zu den Grundlagen des classischen Ideals. An die Stelle des Cultus 
der Thiere treten die Thieropfer zu Ehren der Götter, und. was 
sehr charakteristisch ist, diese Opfer dienen als Gastmahle zum Genusse 
der Menschen, die das Fleisch verzehren und den Göttern die Knochen 
lassen; die gewaltigen und schädlichen Thiere werden nicht verehrt, 
sondern erlegt, wie der nemeische Löwe, die lernäische Schlange, der 
kaledonische Eber u. s. f. und diese Heroenthaten gelten als wohl 
thätige Jagden. Endlich begegnen wir -hier, wie schon oben an 
gedeutet worden ist 1 , wiederum den Verwandlungen, die Ovid an- 
muthig und geschwätzig erzählt, und die in den zwölf ersten Büchern 
seiner „Metamorphosen" aus vorhomerischer Zeit herrühren und fremde 
kosmogonische Elemente von phrygischer, phönizischer, ägyptischer Sym 
bolik enthalten. Da die Verwandlung eine Strafe ist für eine gegen 
die Götter verübte Schuld oder Jmpietät, so ist sie nicht bloß eine 
Verwandlung ins Thierische, sondern eine Degradation des Thierischen. 
So wird der Lykaon, weil er den Jupiter tödten wollte, in einen Wolf 
verwandelt, den die Symbolik der ägyptischen Religion in Verbindung 
mit dem Sonnengotte (Osiris) vorgestellt hat. Die Pieriden (Töchter 
des Pieros), weil sie im Gesänge mit den Musen zu wetteifern gewagt, 
in ihrem Gesänge die Giganten gefeiert und dadurch die Thaten der 
großen Götter zu schmälern gesucht haben, werden in Elstern ver 
wandelt. „Und auch jetzt noch", fügt Ovid hinzu, „blieb ihnen die 
frühere Zungenfertigkeit und heiseres Geplauder und die unendliche 
Lust zu schwätzen." Um zu täuschen und seine unfeinen Absichten zu 
verbergen, kleidet sich Zeus in Thiergestalten und erscheint als Stier, 
Schwan u. s. f. „In dieser Weise ist das Verhältniß der Thiergestalt 
in der classischen Kunst von allen Seiten her verändert, indem sie zur 
Bezeichnung des Ueblen, Schlechten, Geringgeschätzten, Natürlichen und 
Ungeistigen gebraucht wird, während sie sonst der Ausdruck des Positiven 
und Absoluten war."^ 
Der bekannte Ausspruch des Herodot, daß Homer und Hesiod den 
Griechen ihre Götter gemacht haben, bedeutet keineswegs, daß sie diese 
- S. oben S. 835. - - Hegel. X. Abth. II. S. 23-87.
	        
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