Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Zweiter Theil] (8,2 / 1901)

Die Lehre von den Kunstformen. 
8S9 
1 Ebendas. S. 15-21. - - Ebendas. S. 21-23. 
Und wie die classische Kunstform nicht mehr suchend sich verhält, 
sondern erreichend und vollendend, so verhält sich auch der classische 
Künstler; er ist seines Gegenstandes vollkommen mächtig, er weiß, 
was er will, und er kann, was er will, er braucht seine Gegen 
stände nicht zu suchen, sie sind ihm gegeben, sie sind fertig und vor 
handen als Glaube, Volksglaube, Volksreligion, als Sage und fort 
gepflanzte Tradition; der Künstler empfängt seinen Stoff von der 
Volksreligion, wie Phidias seinen Zeus vom Homer; auch die Tragiker 
erfinden sich nicht den Grundinhalt, den sie darstellen. „Jemehr aber 
für den Künstler ein an- und für sich seiender freier Inhalt in Volks 
glaube, Sage und sonstiger Wirklichkeit als vorhanden vorliegt, um 
desto mehr concentrirt er sich auf die Thätigkeit, die solchem Inhalte 
congruente äußere Kunsterscheinung zu gestalten." Indem aber der 
Künstler die ihm gegebenen Stoffe ausgestaltet, ausbildet und vollendet, 
so verhält er sich zu denselben zugleich fortbildend, denn alle Ausbildung 
ist eine Fortbildung, daher sich die griechische Religion in der Kunst 
und durch dieselbe fortentwickelt. Und was von seiten des Stoffs, 
ebendasselbe gilt auch von seiten der Form. Der classische Künstler 
setzt voraus die Fertigkeit sowohl der religiösen Stoffe als auch der 
technischen Geschicklichkeit? 
Diese eben erörterten Punkte sind zum Verständniß des classischen 
Ideals und der classischen Kunstform von der größten Wichtigkeit. 
Man muß einsehen, bis zu welchem Grade die materialen wie formalen 
Bedingungen der Kunst vollendet sein mußten, damit sich diese in den 
Zustand ihrer vollkommensten Freiheit erheben und darin ergehen 
konnte, sowohl empfangend als schaffend. Hieraus erhellt, daß die 
classische Kunstform, da sie aus einer Reihe von Bedingungen, erst 
hervorgeht, nicht den Anfang machen, sondern nur das Resultat einer 
geschichtlichen Entwicklung sein kann, welche sie fortführt und vollendet. 
Das classische Ideal ist kein fertiges, sondern ein lebendiges, welches 
entsteht, sich entwickelt, vollendet und auflöst. Die Lehre von der 
classischen Kunstform theilt sich demnach, wie es dem Gange der letzteren 
entspricht, in die Lehre von ihrer Entstehung, ihrer Vollendung und 
ihrer Auflösung. Hegel nennt den ersten Theil den „Gestaltungs 
proceß", den zweiten „das Ideal", den dritten die „Auflösung 
der classischen Kunstform"?
	        
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