Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Zweiter Theil] (8,2 / 1901)

Die Lehre vom Ideal. 
813 
II. Die Kunstphilosophie. 
1. Einleitung. 
Als die Wissenschaft von der schönen Kunst und vom Schönen 
überhaupt sollte die Kunstphilosophie eigentlich Kallistik heißen; dieser 
Name aber ist nie im Gebrauch gewesen und statt seiner in der 
Wolffischen Schule durch den Hallischen Professor Alex. Gottlieb Baum 
garten der Name Aesthetik aufgekommen, welcher eigentlich die Wissen 
schaft von der Sinnlichkeit oder sinnlichen Empfindung (ala{b]ats) bedeutet. 
Es giebt, wie schon Leibniz gelehrt hatte, eine sinnliche Wahrnehmung des 
Wahren und Vollkommenen: die sinnliche Vorstellung desselben ist die 
sinnliche Vollkommenheit oder die Schönheit? 
In der Einleitung seiner „Vorlesungen über Aesthetik" hat Hegel 
die früheren Standpunkte dieser Wissenschaft durchlaufen, um den eigenen 
zu begründen und die Aufgabe festzustellen, wie er dieselbe auffaßt und 
eintheilt. Er hat namentlich die Epoche, welche Kant durch seine „Kritik 
der ästhetischen Urtheilskraft" gemacht hat, treffend gewürdigt und die 
großen Verdienste Schillers, der in seinen „Briefen über die ästhetische 
Erziehung des Menschen" die Schranken der kantischen Lehre von der 
Subjectivität des Schönen durchbrochen und dessen Objectivität und 
Realität dargethan habe; das Schöne als die Freiheit der Erscheinung 
und die Erscheinung der Freiheit könne nur aus der Einheit der Frei 
heit und Nothwendigkeit, des Geistes und der Natur, d. h. aus jener 
absoluten Identität des Idealen und Realen begriffen werden, deren 
Standpunkt Schelling erstiegen, aber nicht methodisch entwickelt habe. 
Aus der Lehre Fichtes vom Ich sei der Standpunkt der Ironie 
hervorgegangen, den Fr. v. Schlegel und Solger geltend gemacht 
haben, beide auf verschiedene Art. „Was ist, ist nur durch das Ich, 
und was durch mich ist, kann Ich ebenso sehr auch wieder vernichten." 
„Das Geltenlaffen und Aufheben steht rein im Belieben des in sich 
selbst als Ich schon absoluten Ich. Auf dem Standpunkt, auf welchem 
das Alles aus sich setzende und auflösende Ich der Künstler ist, er 
faßt sich diese Virtuosität eines ironisch künstlerischen Lebens als eine 
göttliche Genialität, von deren Höhe auf alle übrigen Menschen 
herabgeblickt wird als auf „pauvre, bornirte, beschränkte und platte 
Subjecte", insofern ihnen Recht, Sittlichkeit u. s. f. noch als fest, ver 
pflichtend und wesentlich gelten. „Dies ist die allgemeine Bedeutung 
' Vgl. meine Gesch. d. n. Philos. Bd. II. Leibniz. (3. Aufl.). Buch II. 
Cap. XI. S. 500-502.
	        
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