Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Zweiter Theil] (8,2 / 1901)

744 Die Philosophie der Geschichte. 
Schätzung eines der uns schon bekannten hegelschen Lieblingsthemata 
ist, dem wir nun auch an dieser Stelle begegnen. Der Philosoph ver 
wirft die grundschiefe schulmeisterliche Ansicht, nach welcher die großen 
Männer, weil sie eroberungssüchtig, ruhmsüchtig u. s. f. waren, ge 
tadelt und abschätzig behandelt werden. „Welcher Schulmeister hat von 
Alexander dem Großen, von Julius Cäsar nicht vordemonstrirt, daß diese 
Menschen von solchen Leidenschaften getrieben und daher unmoralische 
Menschen gewesen seien? Woraus sogleich folgt, daß er, der Schul 
meister, ein vortrefflicherer Mensch sei als jener, weil er solche Leiden 
schaften nicht besitze und den Beweis dadurch gebe, daß er Asien nicht 
erobert, den Darius und Porus nicht besiege, sondern freilich wohl 
lebe, aber auch leben lasse." Diese Leute verhalten sich zu den großen 
Männern der Welt, wie im Homer der Thersites zu den Königen, 
wofür ihm dort die richtige Strafe zu Theil wird. „Man kann auch 
eine Schadenfreude am Schicksal des Thersitismus haben." 1 
Aus dem Kampf der Leidenschaften und partikularen Interessen 
geht die Idee hervor, rein und unabhängig von allen Particularitäten. 
„Nicht die allgemeine Idee ist es, welche sich in Gegensatz und Kampf, 
welche sich in Gefahr begiebt; sie hält sich unangegriffen und un 
beschädigt im Hintergründe." „Die Idee bezahlt den Tribut des Da 
seins und der Vergänglichkeit nicht aus sich, sondern aus den Leiden 
schaften der Individuen." Eben darin besteht die List der Ver 
nunft, wie Hegel schon in seiner Logik dargethan hattet 
Der Inbegriff aller Mittel ist die Vereinigung der menschlichen 
Thätigkeiten zu einem geordneten Ganzen, dem Staate, welchen Hegel 
hier als „das Material" bezeichnet, d. h. den Stoff, den die Welt 
geschichte zu entwickeln und zu gestalten hat. Diese Gestaltung des 
Staats ist die Verfassung, die mit dem patriarchalischen Königthum 
beginnt und durch die Demokratie und Aristokratie zur freien Mo 
narchie oder zur Repräsentativverfassung fortschreitet. „Der Staat", 
sagt Hegel, „ist die göttliche Idee, wie sie auf Erden vorhanden ist", 
ein Wort, welches an Hobbes erinnert, welcher den Staat den sterblichen 
Gott genannt hat, freilich nicht den Verfassungsstaat, sondern die fürst 
liche Gewalt ohne Einschränkung. Nach Hegel ist das Subject des 
1 Ebendas. S. 39—41. Vgl. Phänomenologie. Werke. II. S. 484—486. 
Rechtsphilosophie. Werke. VIII. 8 124. S. 163. Bgl. dieses Werk. Buch II. 
Cap. IX. S. 411. - 2 Hegel. Bd. IX. S. 41. Vgl. dieses Werk. Buch II- 
Cap. XXI. S. 551.
	        
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