Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Zweiter Theil] (8,2 / 1901)

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Die Wissenschaft vom objectiven Geist. 
eine Reihe von Fragen, welche das Verhältniß des Staats zur 
Religion (Kirche und Kirchengemeinde) betreffen. Von seiten der 
dem Staate feindlichen, abgeneigten und ihm gegenüber in herrsch 
süchtigem Eigendünkel befangenen Religion herrscht der Fanatismus 
im Gefühl der eigenen Schwäche, die stets der wahre innere Grund 
des fanatischen Hasses ist. „Es ist nicht die Kraft, sondern die Schwäche, 
welche in unseren Zeiten die Religiosität zu einer polemischen Art 
von Frömmigkeit gemacht hat, sie hänge nun mit einem wahren Be 
dürfniß oder auch bloß mit nicht befriedigter Eitelkeit zusammen." 
Der Streit beider Mächte ist ungleich. Die Religion (Kirche) im Be 
wußtsein ihrer Unvernunft und Schwäche ist fanatisch und intolerant, 
der Staat dagegen im Bewußtsein seiner Stärke und Vernünftigkeit 
ist tolerant; er duldet sogar Secten von staatswidriger Denkart, wie 
die Quäker, welche den Eid und den Kriegsdienst' verweigern, ja 
sogar eine feindliche Religion von fremder Nationalität, wie die 
Juden; denn gerade dadurch, daß er sie als Menschen und als 
rechtliche Personen in der bürgerlichen Gesellschaft anerkennt und be 
handelt, thut der Staat das Seinige, um die Kluft auszugleichen und 
zu ebnen, die zwischen ihm und den Juden besteht. „Die Behauptung 
dieser Ausschließung, indem sie aufs Höchste Recht zu haben vermeinte, 
hat sich auch in der Erfahrung am thörichsten, die Handlungsart der 
Regierungen dagegen als das Weise und Würdige erwiesen.'" 
2. Das innere Staatsrecht. Der Verfassungsstaat. 
Als der sittliche Organismus, ein lebendiges Ganzes, das sich 
gliedert, als objectiver Geist, d. i. „die Welt, welche der Geist sich ge 
schaffen hat", vereinigt der Staat verschiedene Gewalten in sich, um 
deren Ordnung und Einheit es sich handelt. Gewöhnlich unterscheidet 
man diese drei Staatsgewalten: die gesetzgebende, die ausführende 
oder regierende (executive) und die richterliche. Da aber die poli 
zeiliche und richterliche Gewalt zur regierenden gehören, so ist die dritte 
- Ebendas. 8 270. S. 325—343. (S. 881. Anmerk.) Um die fanatische Unter 
drückung der Freiheit des Denkens und Forschens, d. h. der Wahrheit, durch 
die römische Kirche zu erhärten, hat Hegel die Verbrennung des Jordanus 
Bruno und die Verdammung des Galilei angeführt und die Worte wieder 
gegeben, mit welcher Laplace in seiner Darstellung des Weltsystems (Buch V. 
Cap. 4) das Verfahren der Kirche wider Galilei geschildert und dem Horror der 
Nachwelt preisgegeben hat. (S. 336 flgd. Anmerk.)
	        
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