Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Zweiter Theil] (8,2 / 1901)

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Die Wissenschaft vom objectiven Geist. 
Es zeigt sich, daß in ihrem Gegensatze jede der beiden Seiten, 
das Gewissen und das Gute, sich in ihr Gegentheil verkehrt und auf 
hebt. Das Gute, dem die Subjectivität, das Wollen und die Kraft 
fehlt, ist ein kraftloses Abstractum und als solches nicht gut, sondern 
schlecht; das Gewissen aber, welches den Herrn und Meister des Guten 
und Bösen spielt, ist kein gutes, sondern ein böses und schlechtes Ge 
wissen. es ist nicht gewissenhaft, sondern gewissenlos. Beide Seiten 
des Gegensatzes heben sich auf und damit der Gegensatz selbst, die 
ganze Sphäre der abstracten Moralität, das Gute als der endlose 
Progreß des Seinsollens und beständigen Nichtseins. „Die Einheit des 
subjectiven und des objectiven an und für sich seienden Guten ist die 
Sittlichkeit, und in ihr ist dem Begriffe nach die Versöhnung ge 
schehen." ^ 
Zweiunddreißigstes Capitel. 
Die Wissenschaft vom objectiven Geist. 6. Die Sittlichkeit. 
In der philosophischen Entwicklung geht aller Fortgang in die 
Tiefe, das Resultat als das Begründete und Bewiesene erscheint als 
Grund, der die ganze bisherige Entwicklung getragen und hervor 
gebracht hat. So verhielt sich die logische Idee zu den Begriffen des 
Seins und des Wesens. So verhält sich die Sittlichkeit zum Recht 
und zur Moralität. Nur nachdem diese Begriffe vollkommen entwickelt 
sind, erhebt sich aus ihrer Tiefe der Begriff ihres Grundes, d. i. der 
Begriff der Sittlichkeit. Alles philosophische Beweisen besteht in der 
begrifflichen Entwicklung. „Diejenigen, welche des Beweisens und De- 
ducirens in der Philosophie entübrigt sein zu können glauben, zeigen, 
daß sie von dem ersten Gedanken dessen, was Philosophie ist, noch 
entfernt sind, und mögen sonst wohl reden, aber in der Philosophie 
haben die kein Recht mitzureden, die ohne Begriff reden wollen." ^ 
Die Wirklichkeit und Herrschaft des Guten in der Welt ist die 
Sittlichkeit, unter und in welcher allein die rechtlichen und moralischen 
Bestimmungen sich entwickeln und zur Geltung gelangen. Die bloße 
Moralität verflüchtigt alle Objectivität und erzeugt eine solche Leere 
* Ebendas. § 141. Uebergang von der Moralität zur Sittlichkeit. S. 202 
bis 204. — 2 Ebendas. S. 203.
	        
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