Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Zweiter Theil] (8,2 / 1901)

Die Moralität. 
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1 Ebendas. S. 195-199. Anmerk. S. 196 u. 197. 
weil es sich betrügen will. Der Probabilismus ist der heuchlerische 
und geflissentliche Selbstbetrug. 
Der Probabilismus führt zu dem berüchtigten Satze: „der Zweck 
heiligt die Mittel". Wer aber entscheidet über die Heiligkeit des 
Zwecks und darüber, ob das für heilig gehaltene Mittel den für heilig 
gehaltenen Zweck in Wahrheit befördert hat? Niemand anders als die 
Subjectivität in ihrer angemaßten Machtvollkommenheit und in ihrem 
eigensten Interesse, d. h. das böse Gewissen und die böse Willkür. 
In diesem Subjectivismus gipfelt die Rechtfertigung der Hand 
lungen durch die persönlichen Absichten und Ueberzeugungen. „Meine 
Absicht des Guten bei meiner Handlung und meine Ueberzeugung da 
von, daß cs gut sei, macht sie zum Guten. Jede Spur einer Ob- 
jectivität des Guten ist verschwunden, jede Spur eines Unterschieds 
zwischen dem Guten und Bösen. Noch ein Schritt, und die Moralität 
steht jenseits des Guten und Bösen. Dieser Standpunkt des boden 
losen Subjectivismums ist die Ironie, nicht in dem Sinne, wie Plato 
diesen Ausdruck von Sokrates und seinem dialogischen Verhalten gegen 
das ungebildete und sophistische Bewußtsein gebraucht hat, auch nicht 
im Sinne der tragischen Ironie, wie Solger (in einer von Hegel 
nicht gebilligten Weise) den Ausdruck verstanden wissen wollte, sondern 
im Sinne der genialen oder geniesüchtigen Ironie, welchen Stand 
punkt Fr. v. Schlegel, als er von Fichte herkam und die Wildbahn 
einschlug, verkündet hatte. Kein Standpunkt lief den Grundideen und 
der Persönlichkeit Hegels so zuwider, wie dieser. Fichte hatte zum 
Principe der Philosophie das absolute Ich gemacht, Schlegel setzte an 
dessen Stelle das besondere Ich, sein besonderes Ich und gab ihm 
die Machtvollkommenheit des absoluten. Ich, dieses besondere Ich, 
weiß sich als das über Wahrheit, Recht und Pflicht Beschließende, es 
weiß sich als das, welches so will und beschließt, auch ebenso gut 
anders wollen und beschließen kann; nicht die Sache ist das Vortreff 
liche, sondern dieses Ich, das mit der Sache spielt, sich genießend, nur 
sich. „Diese Gestalt ist nicht nur die Eitelkeit alles sittlichen In 
halts der Rechte, Pflichten, Gesetze, — das Böse, und zwar das in 
sich ganz allgemeine Böse, sondern sie thut auch die Form, die sub- 
jective Eitelkeit hinzu, sich selbst als diese Eitelkeit alles Inhalts zu 
wissen und in diesem Wissen sich als das Absolute zu wissen." 1
	        
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