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Die Wissenschaft vom objectiven Geist.
III. Das Unrecht.
1. Unbefangenes Unrecht.
Der gemeinsame Wille, der im Vertrage zu Stande kommt, ist
das objective Recht, welches erst an sich gilt, noch nicht an und sür sich,
da eine solche absolute Geltung den Bestimmungen des abstracten oder
formellen Rechts überhaupt nicht zukommt; der gemeinsame Wille ist
nicht der wahrhaft allgemeine, der die besonderen Willen durchdringt
und beherrscht; daher stehen dem objectiven Recht auf der Grundlage
des gemeinsamen Willens die besonderen Willen gegenüber und können
sich bejahend oder verneinend dazu verhalten. Die Verneinung des
Rechts von seiten des besonderen Willens ist das Unrecht, das sich
in drei Hauptsormen entwickelt und in der letzten culminirt. Die
erste und leichteste Form ist das unbefangene oder bürgerliche Unrecht.
Bei der Vielheit und Verschiedenheit der Rechtsgründe, die in
Beziehung auf das Mein und Dein auch in Ansehung derselben Sache
gelten wollen, müssen Rechtscollisionen und Rechtsstreitigkeiten ein
treten: Rechtsparteien, die beide Recht haben wollen, aber nicht können;
ihre Rechtsansprüche verhalten sich wie A und Nicht-A, wie das posi
tive und negative Urtheil. Die eine der beiden Parteien hat nicht das
wirkliche Recht, sondern nur den Schein des Rechtes für sich, sie hat
Unrecht, indem sie das Recht als solches anerkennt und das Unrecht
als solches weder will noch thut, weshalb ihr Verhalten alle Strafbar
keit ausschließt: dies ist das unbefangene oder bürgerliche Unrecht?
2. Betrug.
Das zweite Unrecht ist das gewollte, unter der Maske oder dem
Scheine des Rechts ausgeübte und dem Anderen zugefügte Unrecht, dem
der Schein aufgebürdet wird, daß ihm volles Recht geschieht: dies ist
der Betrug, der, da er das Unrecht will und thut, strafbar ist und
schon verbrecherisch; er braucht den Schein des Rechts zum Unrecht
und handelt noch unter der äußeren Anerkennung des Rechts?
3. Zwang und Verbrechen. Die Strafe.
Die dritte und höchste Form des Unrechts, ohne alle noch schein
bare Anerkennung des Rechts ist. die offene Gewaltthat, die gewollte
- Ebendas. III. Das Unrecht. §§ 82 u. 83. ©.123-125. A. Unbefangenes
Unrecht. §§ 84-86. S. 125 u. 126. - - Ebendas. B. Betrug. §§ 87-89.
Zus. S. 126 u. 127.